Gespaltene Persönlichkeit

Am 4.7.2014 öffnete nahm “I love Veggie Burger” den Regelbetrieb auf. Ich wurde darauf durch einen Artikel auf der Kurier Website aufmerksam und musste das natürlich testen, so fuhr ich am 9.7. zur U4 Pilgramgasse. Von dort aus sind es ein paar Schritte bis zum Lokal.

Anfänglich verwirrt uns Kunden die zwei-seitige Strategie der Franchisekette “Flying Diner”, welche das vegane Burger-Konzept nun umsetzt. An der Adresse Margaretenstrasse 57 findet man nicht etwa nur ein einzelnes Lokal. Nein, zwei Herzen schlagen in dieser Brust.

Auch die Fassade bringt nur wenig Klarheit. Die grosse Überschrift “Flying Diner” lässt einen zunächst vermuten, dass man hier falsch ist. Dann wandert der Blick zu den beiden Fenstern darunter. Das linke in grün und mit “I love Veggie Burger” logo, das rechte wieder mit “Flying Diner” im US-Fahnen-Look.

Flying Diner versus I love Veggie

Neugierig wie ich bin interviewte ich den ranghöchsten Chef, der mir bereitwillig Auskunft erteilte. Flying Diner ist sowohl der Name der Franchisefirma, als auch das traditionelle Burger-Konzept. Das vegane Konzept ist gleichsam ein zweites Franchise-Produkt, für welches die Kette nun Franchisenehmer sucht.

Duale Filiale

Das Lokal in Margareten demonstriert beide Konzepte mehr oder weniger unabhängig voneinander. Diese Unabhängigkeit geht so weit, dass praktisch die gesamte Lokal-Logistik zweimal vorhanden ist. Bei jüdischer koscherer Küche gibt es nur getrennte Töpfe und Behältnisse für Fleisch und Milchprodukte. Hier gibt es zwei separate Küchen.

Der Grund hierfür liegt hauptsächlich darin, dass man damit jeglichen möglichen Einwänden von “eingefleischten Veganern” den Wind aus den Segeln nehmen will. “Wo Menschen arbeiten da passieren Fehler” erklärte mir mein Interviewpartner. Durch die völlige räumliche und organisatorische Trennung ist praktisch unmöglich, dass sich Tier-Moleküle in vegane Speisen verirren.

Einen Nachteil haben die zwei Küchen. Wenn man ins Lokal tritt, dann begibt man sich in eine Wolke aus heisser Luft. Einzig im hintersten Winkel des Lokals ist es bei offenen Fenstern halbwegs erträglich. Klar, es war ein sehr heisser Tag an diesem Tag. Wahrscheinlich ist es angenehmer, wenn es draussen nicht so heiss ist. Ich für meinen Teil hielt es drinnen nicht aus und setzte mich in den Schanigarten, eine Ansammlung von Tischen davor.

Man bekommt zwei Speisekarten ausgehändigt, weil man ja kein Schild um den Hals trägt, welcher Überzeugung man anhängig ist. Ich wählte einen veganen BBQ Burger mit Süßkartoffel-Pommes. Ich hätte gerne noch etwas Coleslaw (vulgo “Krautsalat”) dazu gehabt, aber das an diesem Tag “gut aber aus”. Bei allen Bürgern kann man zwischen Leibchen aus Grünkern oder veganem Fleisch-Ersatz (genannt Vleisch) wählen. Ich nam zweiteres.

Ich übersah die passenden Softdrinks auf der Veggie-Karte und so wählte ich ein Dr. Pepper Cherry Cola von der Fleisch-Karte. Zur Überbrückung von fader Wartezeit offeriert das Lokal auch kostenloses WLAN mit Namen “FD1050”. Der Passwort verraten einem die Kellner auf Anfrage.

Harmonisches Miteinander?

Während ich auf meine Bestellung wartete gesellten sich zwei Studenten zu mir. Diese waren auch etwas von der gespaltenen Persönlichkeit des Lokals irritiert. Als ich ihnen den Sachverhalt klarstellte, konnte man förmlich mehrere Lichter angehen sehen. Insbesondere waren sie froh nicht versehentlich in einem rein-veganen Lokal gelandet zu sein, denn ihnen gelüstete nach echten Burgern mit Fleisch.

Diese Episode zeigt auch, dass dieses duale Konzept ein zweischneidiges Schwert ist. Denn einerseits wird alles dafür getan, dass Veganer happy sind. Andererseits ergeben sich hier auch soziale Reibungsflächen. Denn es läßt sich hier nicht verhindern, dass ein Vollblut-Veganer möglicherweise miterleben muss, dass vor seinen Augen in Vollblut-Fleischesser in ein saftiges Laberl beisst.

Aber wir sind ja tolerant … wenn jeder das bekommt, was er will, dann kann man ja auch tolerieren dass andere Leute etwas anderes wollen, oder?

I love Veggie Burger

Wenig später wandte ich meine Aufmerksamkeit dann meiner Bestellung zu. Auf dem grossen Teller, neben einer Riesenmenge von Sweet Potatoe Pommes, wirkte das Weckerl fast verloren. Der BBQ Burger hatte neben einer BBQ Sauce auch eine Scheibe veganen Cheddar Käse dabei. Mir schmeckte der Burger gut, wenngleich das Vleisch-Laibchen vielleicht etwas zu cross angebraten war. Die Pommes waren ein Geschmackserlebnis für sich: Knusprig, etwas mehlig, ziemlich süß.

Der Radius

Ein weiterer Kritikpunkt, den ich dem Ober-Boss auch meldete, war, dass der Durchmesser der Brötchen wesentlich grösser war, als der des Laibchens. Dadurch hatte man dann rundherum viel Fläche, wo man bei einem Bissen nur Brot und Sauce im Mund hatte. Der Chef erklärte, dass die Brötchen von einem veganen Bäcker handgemacht wurden und daher im Durchmesser von 10-11 cm variierten. Gleichzeitig wäre das “Patty” exakt 100g und das sollte so um die 10 cm Durchmesser haben.

Dennoch beschlichen mich Gefühle von Neid auf meine fleischessenden Nachbarn, weil bei diesen der Durchmesser von Laibchen und Weckerl ziemlich genau passte. Man sah entlang des Umfangs um die Burger eine schöne gleichmäßige Seiten-Fläche des gebratenen Fleisches. Mag sein, dass dies Anlaufschwierigkeiten in der Küche sind. Der Fleisch-Burger-Koch hat mich Sicherheit wesentlich längere Erfahrung in der Produktion, als sein veganes Pedant.

Als Ingenieur scheint mir dieses Problem gleichzeitig lösbar wie auch wichtig. Wenn die duale Strategie aufgehen soll, dann dürfen die veganen Burger in Look und Perfektion ihren fleischlichen Kollegen in keiner Weise hinterher hinken.

Der Radius des Veggieburger-Imperiums ist auch im wachsen begriffen, denn die Roadmap für den Wien-weiten Ausbau steht fest. Ab dem Herbst soll es reine Veggie Burger Lokale geben, bis dahin sperren im Monatstakt weitere Filialen auf, bzw. werden für das “Shop-im-Shop” System umgerüstet.

Wer nicht in eine Filial pilgern kann oder will, der kann sich auch die Burger liefern lassen. Die erste Filiale in Margareten (5.) beliefert 4.-7., 10., 12., 13., 15. und 23. Bezirk. Weitere Liefer-Bezirke folgen zusammen mit neuen Filialen.

Personalprobleme

In dieser ersten Woche des Betriebes hat Veggie Burger mit gewissen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Abgesehen von ausgegangenem Krautsalat wirkte das Personal überfordert. Eine Kellnerin musste mehrmals nachfragen, wirkte der deutschen Sprache wenig mächtig. Eine Kundin mit Zeitdruck beschwerte sich lautstark darüber, dass ihre Speise zum Mitnehmen ewig auf sich warten liess. Kommunikationsprobleme. Zu wenig Zeit für zu viele Bestellungen.

Opfer ihres eigenen Erfolges? Auf ihrer Facebook Page sucht die Kette eifrig nach veganem Personal und die zahlreichen Antworten lassen darauf schliessen, dass das Interesse an so einem Arbeitsplatz hoch ist. Damit sollte sich das Personalproblem recht bald in Luft auflösen.

Der Chef seufzte “da kommen die Leute ein Restaurant immer in der ersten Woche testen, wo noch alles nicht eingespielt ist. Zwei Wochen später ist das eine ganz andere Geschichte.”

Fazit

Flying Diner beschreitet mutig einen Weg, an dem mach andere bisher gescheitert sind. Durch eine duale Strategie und ein Franchise-Konzept kann ihnen etwas gelingen, was Einzel-Locations bisher nur wenig geglückt war. Der breitere Ansatz hat die besten Chance, dass die Idee kein Nischendasein fristen wird.

Die Leidenschaft und der Aufwand, der betrieben wird, um fleischlose Kundschaft glücklich zu machen, ließ mich wohlwollend über anfängliche Insuffizienzen hinweg sehen. Ich bin zum Essen gekommen und bin zufrieden gegangen.

Ich werde sicher wieder kommen und schauen, ob sich die Prophezeiung des Chefs bewahrheitet hat. Denn beim nächsten Mal komme ich mit Massband. 🙂

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