Ich begleitete Marcel nach Eisenstadt ins ORF Landesstudio Burgenland, wo eines der Castings für die dritte Staffel von Starmania stattfand. Offenbar hat der selbe Architekt dieses Studio gebaut, weil es praktisch ident mit dem ORF Studio in Graz ist, wo wir auch zuletzt waren.
Gleich rechts beim Eingang war ein Tisch bei dem sich die jungen Kandidaten, im Schnitt so um die 18 Jahre, anmeldeten. Es wurde ein digitales Foto gemacht und ein Fragebogen mit dem Foto darauf ausgedruckt. Neben Adresse und persönlichen Angaben wurden auch Fragen gestellt wie “Warum bist du Österreichs neuer Popstar?”, “Was erwartest du dir von deiner Teilnahme bei Starmania?” und “Wo siehst du dich in drei Jahren?”. Besonderer Wert wurde auch auf die Angabe der Staatsbürgerschaft gelegt, das Alter wurde mittels Lichtbild-Ausweis kontrolliert, denn unter 18 Jahren mussten die Eltern zustimmen.
Auf einem Informationsblatt erfuhr man unter anderem, dass erwartet wird, dass man von September bis Jänner in Wien wohnen muss und für nichts anderes außer Starmania Zeit haben wird. Nach Abgabe des Fragebogens wurden immer fünf Personen aufgerufen, mit einem Start-Nummern-Aufkleber versehen und auf Sessel in einem kleinen Raum direkt vor dem Studio hingesetzt.
Von dort aus traten sie dann einzeln vor den gestrengen Blick der Jury. Dabei musste man sich auf ein Kreuz am Boden stellen und a capella den Refrain eines Liedes singen. Der Platten-Produzent zermürbte die Kandidaten, indem er, den Kopf auf eine Hand gestützt, vorgab dem Einschlafen nahe zu sein. Die Vocal-Coach-Frau zerpflückte die Singstimme und der Radio-Moderator zerpflückte dann die Kandidaten selbst. Oft verlangten die Juroren noch ein zweites Lied, zum Beispiel für mehr Emotion und häufig nach deutschen Liedern. Will Starmania den nächsten Falco entdecken?
Wenig Sympathie-Punkte ernteten die Juroren immer dann, wenn sie mit “Danke, leider nicht” kein Auslangen fanden. Denn dann würgten sie boshafte Statements hervor, die manch ein zartes angespanntes Gemüt dann gänzlich in Tränen zerfließen ließen. Es wäre noch eine eigene Studie wert, ob öffentliche Aufmerksamkeit den wahren Charakter von Juroren zum Vorschein bringt oder ob es schlicht medienwirksamer ist, wenn man als Juror möglichst gemein ist.
“Also, wenn Du das Lied mit anderem Text gesungen hättest, hätte ich es nicht erkannt.”
“Woher weißt Du dass du singen kannst?”
“Von meinen Freunden.”
“Dann bleib bei Deinen Freunden.”
(Solche wenig konstruktiven Worte hatten wir auch schon bei der Karaoke WM gehört)
Obwohl sich das Verhältnis der Geschlechter bei denen die Weiterkommen ungefähr die Waage hält, kommen dennoch wesentlich mehr junge Damen zu den Castings. Einer der Organisatoren äußerte die Vermutung, dass sich Mädels in dem Alter einfach mehr trauen, während Jungs um die 18 an ganz andere Dinge denken. Ein halbes Jahr wegen Starmania blockiert zu sein, habe vermutlich unerträgliche negative Auswirkungen auf die berufliche Karriere.
Von den rund 100 Kandidaten, die in Eisenstadt antraten, schaffte es nur eine einzige junge Dame.
Tamara Olorga, 17, singt seit sich denken kann. Bisher war Starmania an ihr vorbeigegangen, aber als sie beim Gesangs-Wettbewerb “The Voice” den dritten Platz machte, brachte sie Marika Lichter auf die Idee, zu einem Starmania Casting zu gehen. Eine gute Idee, wie sich herausgestellt hat. Tamara stimmte heraussen zwei mal ihr Lied an, das erste Mal für die Kameras des ORF, das zweiten Mal für eine Gruppe von Fans, die sich spontan formiert hatte. Jedes Mal berichteten die Zuhörer, dass sie Gänsehaut bekamen. Selbst mir kräuselten sich wohlig die Haare im Genick.
Das war jetzt aber erst die erste Runde, bei der (angeblich) nur das Gesangstalent bewertet wurde. Bei Runden zwei und drei geht es dann um Aussehen und Bewegungstalent. Tamara ist eine schlanke philippinisch-österreichische Co-Produktion und hat daher gleichzeitig ein attraktives exotisches Aussehen, aber dennoch österreichische Bodenständigkeit und Zugänglichkeit.
Genau diese liebenswerte Offenheit nahm mich für Tamara ein, als ich sie abseits der Menschenmassen interviewete. Ich bin kein Juror, dazu bin ich nicht gemein genug, aber ich denke, dass wir von Tamara noch viel mehr sehen werden.