Stürmisch

Der Orkan ist auch bei mir nicht spurlos vorüber gegangen, Dachziegel vom Nachbarhaus sind genau in der Mitte meines Autodachs gelandet und haben sich dort mit Schrammen und Dellen verewigt. Ich fürchte, dass die Versicherung das nicht zahlen wird, weil ich Parkschaden und selbst verursachte Unfälle von der Kasko-Versicherung habe ausnehmen lassen.

Am selben Tag wollte ich meine Wäsche waschen und da hat der Programmwahlschalter meiner Waschmaschine mit einem Blitz den Geist augegeben. Ich habe gleich am nächsten Tag in der Früh den Zanussi Service kontaktiert und einen Termin vereinbart. Der frühest mögliche war in einer Woche. Was mache ich so lange ohne frische Unterwäsche?

Erfreulich war, dass ich endlich mein Nokia N70 vom Nokia Service Center in Simmering zurückbekommen habe. Im Oktober hatte das Bluetooth-Teil den Dienst quittiert und so mußte ich es einschicken lassen. Als ich es zurück bekam war es immer noch kaputt. Auch nach der zweiten Rundreise hatte Nokia den Fehler nicht behoben. Beim dritten Male kam mir eine interne Richtlinie von Nokia zugute: Ein Gerät, dass drei mal zum Service kommt wird ausgetauscht. Das Gehäuse ist gleich geblieben, aber die Innereien haben sie auswechselt.

Allen Unerfreulichkeiten zum Trotz kam meine Freundin übers Wochenende nach Wien um das zweifellos vorhandene Tanztalent mit einer fundierten Basis zu untermauern. Die Begrüßung fiel noch wesentlich euphorischer aus, als ich erwartet hätte, nachdem wir jeden Tag mindestens eine Stunde telefoniert hatten. Ich tendierte bei anderen Frauen immer dazu, mich an irgendwelchen Kleinigkeiten zu stören. Aber dieser Freitag abend war irgendwie anders. Es war fast so, als ob mein Blick nicht mehr an Amanweth’s Körper hängen bleibt, sondern meine Wahrnehmung viel tiefer geworden war. Ich sehe jetzt ihr fröhliches Wesen, ihr goldenes Herz, ihr Lachen, ihren scharfen Verstand … und, ach ja, hübsch ist sie obendrein. Das ist für den Analytiker Oliver eine irritierende aber auch ungemein erleichternde Erfahrung.

Ich hatte am Freitag meinen ersten Massage-Termin beim Egbert Mehl in Klosterneuburg, wo mein Mundwerk keine Minute zur Ruhe kam. Amanweth wärenddessen erkundete das Stift Klosterneuburg und den Rathausplatz. Ich hatte von 1980 bis 1997 in Klosterneuburg gewohnt und so praktisch meine gesamte Jugend dort verbracht. Da wir schon vor Ort waren, zeigte ich meinem Mädchen auch einige Orte meiner Jugend: die beste Pizzeria (wo wir auch gut speisten), meine Volksschule, unser ehemaliges Haus in der Beindelgasse, das AUVA-Zentrum am Freiberg, die Konradgasse (wo meine vergessene Schulfreundin Eva wohnt), mein Gymnasium, das Freizeit-Zentrum Happyland und am Schluß die Donau, wo im Sommer eine Rollfähre nach Korneuburg fährt. Ich ließ auch keine all der romantischen Gelegenheiten aus, Amanweth amzubusseln, am romantischten waren sicher die Momente auf der Sandbank neben der Donau.

Das Problem mit der Unterwäsche lösten wir so, dass wir kurzerhand einen Shopping-Trip ins Outlet Center Parndorf unternahmen. Mein Masseur Egbert Mehl hatte mich ja zu “viel Sport an der frischen Luft” geraten und die Luft hatte angenehme 15 Grad während wir von Geschäft zu Geschäft flanierten. Amanweth war zunächst skeptisch, weil sie Parndorf nicht gekannt hatte, aber ich kenne keine Freu, die bei Schokolade und Shopping nicht schwach geworden wäre. Den ersten Teil der Aufgabe erfüllte das Schoko-Geschäft Lindt&Sprüngli, wo wir uns mit süßen Kleinigkeiten eindeckten. Ich ließ Amanweth bei Calida ein ihr gefälliges Unterhosen-Modell wählen und kaufte davon einen Stapel in meiner Größe. Beim Bally fand ich meine Lieblingsschuhe in einer anderen Farbe und die wollten mitkommen. Amanweth fand sich einige besonders hübsche Bekleidungsteile beim Mango und schöpfte dort aus den Vollen, zu extrem geldbörsenschonenden Tarifen. Dann kaufte ich noch 6 Paar Socken beim Ergee.

Am Samstag Abend war der erste von zehn Abenden unseres Tanzkurses beim Elmayer. Ich hatte uns am Dienstag angemeldet, weil sich die Kurse bei der bekanntesten Tanzschule Österreichs sich schnell zu füllen tendieren. Ich hatte die Chefin dort keck gefragt, ob ich vielleicht Stammkunden-Rabatt bekommen würde, weil ich Wiederholungstäter bin. In der Jungend hatte ich beim Elmayer einmal alle Kurse bis Gold-Star durchgemacht und hatte später zwei mal einen Paarkurs mit Freundinnen besucht.

Chefin: “Nein, leider geben wir keinen Rabatt. Ich glaube, ich erinnere mich an Sie. Das ist aber nett für Ihre Dame, dass Sie einen Grundkurs auf sich nehmen.”
Oliver: “Nun, ich glaube, dass mir diese Dame den Rest meines Lebens bleiben wird. Da macht es nur Sinn sie frühzeitig anzulernen.”

Amanweth kam dank Parndorf in komplett neuer fescher Garderobe, ich im bewährten Maßanzug von Stoffwerk, Kravatte farblich auf Rock und Blazer abgestimmt. “Damit wir zusammenpassen” hatte Amanweth gemeint. Zusammenpassen taten wir nicht nur im optischen Sinn, auch beim Tanzen, dem wir uns Schritt für Schritt behutsam annäherten, harmonierten wir. Gegen 20 Uhr wurde ich dann schon etwas müde, aber die Grundschritte von Foxtrott, Walzer, Boogie tanzten meine Füße auch ohne mein Zutun als wären sie auf Auto-Pilot. Alles zur Zufriedenheit der beiden Tanzlehrer, die währenddessen rund um uns Paare ausbesserten und uns als makellos ignorierten.

Nach einem gesunden Abendessen bei Go Wok mußte ich noch eine Wettschuld einlösen. Ich hatte mein bisheriges Leben lang gedacht, dass Billy Joel in Honesty diese Worte singt: “Honesty is such a lovely word”. Eine Google-Suche mit N70 via UMTS hatte aber offenbart, dass das besungene Wort tatsächlich “lonely” sei. Amanweth’s Freundensprung war filmreif.  Nicht minder erfreulich war die angenehme Atmosphäre im New York New York, wo uns der Kellner mit größter Hochachtung einen Mai Tai und einen Mochito servierte.

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