Steffi, 17, ist ihren Altersgenossinnen weit voraus, denn während andere junge Damen die Sommerferien genießen, absolviert sie ihr Kosmetik-Praktikum bei IKOS Austria, dem “internationalen Ausbildungszentrum für Ganzheitskosmetik”. Die Liste der theoretischen Fächer ist so lange, dass dem Laien alleine von der Lektüre schon die Augen zu tränen beginnen. Aber IKOS streicht als Besonderheit ihrer Ausbildung hervor, dass die nötige Praxis an “Kundenmodellen” erworben wird und eben ein solches Modell durfte ich heute sein.
[Foto: Devin]
Steffi ist nicht nur liebenswürdig und kontaktfreudig, sondern auch geschickt mit ihren kleinen Händen, alles nötige Grundvoraussetzungen für die Arbeit am Menschen. Die meinigen Griffel hatte sie sogleich mit Kräuteröl eingelassen und in Handpatscherl verpackt. Eine heiße Kompresse öffnet die Poren. “Im Sommer nehme ich lieber die Kompresse statt dem Dampf, da is es eh heiß genug und das bringt das gleiche.” erläutert sie ihre Wahl gegenüber der gestrengen Trainerin Yasmine, die regelmäßig nach dem Rechten schaut.
Zur selben Zeit werden mehr als ein Dutzend weitere Kundenmodelle rundherum betreut, aber von denen merke ich kaum etwas. Sanfte Entspannungsmusik rieselt durch den Saal und einige Male werde ich gebeten mein lautes Organ zu bändigen als ich die Damen eifrig ausfrage. Früher hatte die Ausbildung 3 Semester gedauert, aber das AMS würde keine Kurse zahlen, die länger als ein Jahr dauern. Daher wurde die Ausbildung am IKOS Institut auf ein Jahr verdichtet, an dem der Stoff extrem kompakt in Ganztagesunterricht vermittelt wird. Da die Ausbildung alles inklusive 7200 EUR kostet, sind die Förderungen durch WAFF und AMS eine wichtige Geldquelle, ohne welche viele junge Leute sich die Ausbildung nicht leisten könnten.
Augenbrauen-Zupfen und Mitesser-Ausheben sind die zwei Disziplinen, bei denen wir Männer am meisten zu leiden haben. Ich beiße tapfer die Zähne zusammen und lasse die Tortur über mich ergehen, aber die Schönheit litt nur kurz, ich bin überrascht, wie schnell der Schmerz vorüber ist. Wahrscheinlich gut gelernt.
An Material können die angehenden Kosmetikerinnen aus dem Vollen schöpfen. Wenn man alle Möglichkeiten hat ist noch viel mehr Verstand gefragt, die richtige Behandlung zum Kunden auszuwählen. Ich bekomme nach meinem Peeling eine grüne Maske aus Heilerde und während diese noch trocknet macht sich Steffi über die Löwen-Krallen her. Das Kompliment dass meine Nägel die schönsten sind, die sie je bei einem Mann gesehen hat, geht runter wie Öl. Ich beschließe ihr zu glauben, denn sie ist hier der Kosmetik-Profi…
[Foto: Devin]
Oder besser gesagt: sie ist es beinahe. Nach dem Praktikum bekommt sie ihr Diplom und kann dann beim WIFI eine Prüfung ablegen, die sie berechtigt als selbständige Kosmetikerin gewerblich tätig zu sein. Diese Prüfung vereint Gesellen-, Meister- und Unternehmerprüfung. Ihr stehen dann eine Vielzahl von Berufsbildern offen, denen offenbar eine große Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gegenüberstehen. Seit der Mitte der 1990er Jahre gibt es einen regelrechten Schönheits- und Wellnessboom, dem das IKOS Institut mit einer hochwertigen und anerkannten Ausbildung Rechnung trägt. Am Ende bekomme ich noch eine Kakao-Gesichtsmassage, ich komme mir vor wie ein Schoko-Riegel in der prallen Sonnen, der zärtlich zu Schoko-Pudding verrührt wird.
Steffi ist im Oktober fertig, ich habe sie also quasi kurz vor dem Augenblick erwischt, bevor sie richtig teuer wird. Für die 2 Stunden Behandlung als Modell entstehen nur 20 EUR an Materialkosten. Ich versichere Yasmine beim Abschied eindringlich, GERNE wieder SELBSTLOS als Modell zur Verfügung zu stehen.