Manch einer von uns hat dem Schulbeginn entgegengefiebert und neidisch dem Nachbarn auf seine riesige Schultüte gegiert. Diese teilweise meterhohen Stanitzel waren immer mit extrem begehrenswerten Zutaten gefüllt, welche erfuhr ich nie, denn ich gehörte immer zu den Neidhammeln. Meine Eltern vertraute immer darauf, dass ich mich auch ohne Tüte anstandslos in einem neuen Klassenzimmer mit größtenteils fremden Leuten einsperren lassen würde.
Was der Kommunismus micht geschafft hat, nämlich Schultüten für alle Kinder zu standardisieren, das hat die moderne Wirtschaft unter der Führerschaft vom Radiosender Ö3. Kapitalismus funktioniert eben auch in den Schulen besser, denn 4 Firmen tauschen gerne kleine Promoartikel dafür ein, dass ihre Werbebotschaft von den zukünftigen Konsumenten vernommen wird.
Der Inhalt der Ö3 Schultüte:
- Nimm 2 Soft, Firma Storck
- Nimm 2 Lachgummi, Firma Storck
- Knoppers, Firma Storck
- Elmex Junior, Firma Elmex
- Ö3 Lineal
- 3 Buntstifte, Firma Bic
- Ö3 Stundenplaner, auf der Rückseite Ö3 Logo Aufkleber
Besonders prominent vertreten ist die Firma August Storck KG, ein deutsches Traditionsunternehmen, aus derer kreativen Food-Design-Werkstätte viele der uns bekannten Naschereien stammen. Ausgleich zu deren Süßigkeiten soll wohl die Zahnpasta von Elmex, auch eine deutschländische Firma, bieten, aber die nötige Zahnbürste zur Applikation fehlt. Oder hat die heutzutage jedes Kind im Schulranzen? Gegengewicht zu 4 deutschstämmigen Produkten bietet ein Werkzeug für Geradlinigkeit, 3 Farben und ein paar Aufkleber. Ach und die BIC Buntstifte kommen aus Frankreich, wie nobel!
Was lernen unsere Youngsters also unterschwellig mit der bunten Tüte? Gehe geradlinig vor, 3 Primärfarben sind sowieso Abwechslung genug, plane Dein Leben in 5 Tagen á 5 Stunden, konsumiere brav deutsche Produkte und mehr Unterhaltung als Ö3 brauchst Du nicht.
Die Österreicher brauchen gar nicht zu jammern, dass es der Wirtschaft so schlecht geht. Die Kinder bekommen vom Schulalter aufwärts bereits eingetrichtert, pardon eingetütet, dass die lustigsten Konsummationsartikel alle aus dem Nachbarland Deutschland stammen. Ebenso die Unterhaltung, die zwar aus Wien gesendet wird, aber dennoch fast ausschließlich kommerzielle Musik aus dem Ausland spielt.
Der Standard-Schultüte für alle liegt ein sehr sozialer Gedanke zugrunde, typisch österreichisch, aber die transportierte Message geht völlig daneben: Das gleiche für alle, aber eben nicht von hier. Einheitsbrei aus dem Ausland. Hat denn Österreich gar nichts zu bieten?
Diverse Bekannte von mir lehnen sich jetzt zurück und blasen eine Rauchwolke vor sich hin. Meine Aufregung geht ihnen am Arsch vorbei, denn ihr Tütchen stammt aus den Niederlanden.