Mit den Ohren lesen

Früher hielt ich Hörbücher als eine Erfindung für sehblinde Menschen, die Bücher nicht im herkömmlichen, also schriftlichen, Sinne konsumieren können. Dann sah ich mehr und mehr Sachbücher und Romane als Hörbücher erscheinen und ich stellte mir die Frage, wie das funktionieren kann, wenn ich doch selbst zum Lesen eines Buches viele Stunden brauche.

Die Antwort heißt “gekürzt”, (engl. “abbridged”) und dies ermöglicht die Essenz vieler Bücher auf ein übersichtliches Maß zu komprimieren. Doch für ernsthafte “Leser” gibt es auch ungekürzte Varianten, die sich über 8 Stunden und mehr erstrecken.

Tatsächlich fühlt man die Länge eines Romanes subjektiv wesentlich länger, weil man ständig pausiert. Als ich Harry Potter entdeckte las ich das erste Buch in 2 Tagen und die folgenden 3 Bücher in 3 weiteren Tagen. Das ging, weil ich viel Zeit zum lesen hatte, ich weiß nicht mehr ob wegen einer Grippe oder simpler Arbeitslosigkeit.

Bald hatte die CD die Nachfolge der ersten Audiobücher auf Kasette angetreten und ist nun die im Handel vorherrschende Erscheinungsform. Ich hatte selbst immer wieder einmal einen Roman oder ein Sachbuch gekauft, ich höre beim Autofahren lieber ein Buch oder Sprache, als Musik. Gescheite Leute empfehlen einem auf diese Art seine ungenützte mentale Kapazität zu beschäftigen, Robert Kiyosaki empfiehlt sein Auto mit Hörbüchern zu einer Universität auf Rädern werden zu lassen.

Als Sonderform der Hörbücher kamen dann die sogenannten Podcasts auf. Der Name verleitet zur Vermutung, es müsse sich um Broadcasts für exklusiv für Apple iPods handeln. Da ich kein solches Kultobjekt mein Eigen nenne, fühlte ich mich zunächst davon ausgeschlossen, bis ich dahinter kam, dass Podcasts kein Monopol der Firma Apple sind. Ein Podcast ist schlicht und ergreifend eine Radiosendung als digitale Tondatei, die man am Computer oder auf passenden Geräten unterwegs abspielen kann. Eine Möglichkeit ist natürlich auch, diese Podcasts statt mit einem mp3-Player auf CD zu brennen. Produzenten von Podcasts bieten dann einen rss-Feed an, das ist quasi ein Index der aktuellen Sendungen, in einem Format, wie der Computer es automatisch verarbeiten kann.

Ich höre im Alltag hauptsächlich die Podcasts von KenRadio.com und TWIT, KenRadio bietet einen wochentäglichen Überblick über die interessantesten digitalen Entwicklungen, Leo Laport mit seinen TWIT Sendungen vervollständigt das Radioprogramm mit Podcasts zentriert um Apple, Windows und Gadgets (= elektronische Spielsachen). Beim Laufen ist es mein kleiner mp3-Player im restlichen Alltag liefert mir mein neues Nokia n95 das Wunschprogramm ins Ohr.

Es gibt natürlich schon längst auch deutschsprachige Podcasts, Ö1 spielt hier groß mit und selbst die ÖBB hat sie als Service für die Kunden im Programm.

Leo Laport von TWiT brachte mich schlußendlich dazu mir ein neues Konto bei Audible anzulegen, dem weltweit bekanntesten Anbeiter von digitalen Hörbüchern.Wenn man da z.B. www.audible.com/twit aufruft und sich neu anmeldet, dann bekommt man sein erstes Audiobuch gratis. Leo hatte so sehr von “Getting it done” geschwärmt, einem Buch das alle anderen Zeitmanagementbücher in den Schatten stellen soll. Ich hörte heute im Zug die erste Hälfte des mit knapp unter 3 Stunden langen Buches und finde, dass das Versprechen bisher hält.

Auch hier gilt, dass es bereits längst eine deutschsprachige Filiale von Audible gibt, die zusätzlich zu einem umfassenden deutschen Katalog auch alle englischen Hörbücher anbietet. Das digitale Audiobuch kennt keine geographischen Grenzen. Lästig ist allerdings immer noch der Kopierschutz der aa-Dateien, der mich zunächst davon abhielt mein erstes Buch auf meinem mp3-Player oder meinem Nokia Handy n95 abzuspielen, ersterem fehlt das passende DRM, letzteres ist noch zu neu. Aber ein passendes Programm, das ich um etwa 30 Dollar kaufte, knackte mir den Schutz, so dass ich mein rechtmäßig erworbenes Buch auch auf meinen Geräten abspielen kann.

Herkömmliches Radio mutet da schon etwas verstaubt anachronistisch an. Es ist leichter als je zuvor sich vom Konsum des vorgekaute Einheitsprogramms loszusagen und sich sein eigenes Radioprogramm zusammenzustellen. “Leaders are Readers” wissen wir schon lange, mit Audiobüchern und Podcasts wird der Vorsprung schnell größer.

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