Mein Morgen

Durch die graue Suppe, vorbei an kahlen Bäumen und schneebedeckten Hügeln braust der Zug, der mich aus Deinen Armen zu einem Arbeitsplatz in der großen Stadt entführt. Der Wecker ist mein größter Feind.

Das Aufstehen um halb 7 ist schmerzhaft, mit jedem neuen Klingeln will ich den Wecker erneut an die Wand werfen. Das Warten auf den Ablauf der Schlummerzeit ist wie die chinesische Wasserfolter. Ich halte nicht mehr als 3 Tropfen aus, denn reiße ich mich aus dem Bett.

Mein Kreuzweg führt mich in die Küche, wo ich mir einen Herbalife Shake genehmige. Vielleicht helfen Vitamine und etwas Eiweiß. Schlimmer als Zimmertemperatur ist, sich in ein Auto mit 3 Grad Innentemperatur setzen zu müssen. Heldenhaft aktiviere ich die Standheizung unserer goldenen Kutsche mit der Fernbedienung.

Wenn mir dann das Wasser der Dusche über das Genick rinnt, drehe ich es von warm auf heiß, so heiß wie ich es ertragen kann. Das Prickeln auf der Rückseite meines Halses wärmt mein Blut auf und weckt meine Lust auf den Tag. Dann muss ich breit grinsen, weil Du mir auf die Glaswand ein großes Herz mit “O+B” gemalt hast, das erst im Dampf sichtbar wird.

Ich fische mir ein Handtuch, rubble mich so trocken wie möglich bevor ich mich traue, die Schleusentür zur Wohnung zu öffnen. Ich beisse die Zähne zusammen und trete aus der Dusche. Ein zweites Mal muss ich noch rubbeln, weil die dampfige Dusche zwar wohlig warm ist, aber nicht erlaubt, ganz trocken zu werden.

Das ÖBB Ticket habe ich schon am Vorabend ausgedruckt, gleichermaßen als Vorausahnung für den kommenden Trennungsschmerz. Ich küsse Dich noch so intensiv wie möglich, bevor ich aus dem Auto steige. Denn jetzt beginnt meine Sissi-Fuß-Routine erneut, wenn ich meine Daunenkugel die Stufen zum Bahnsteig hinaufrolle.

Umsteigen auf Teilzeit, Karenz, Grippe oder andere tödliche Krankheiten. Sterben ist mir egal, solange es in Deinen Armen passiert. Ich bin zuversichtlich, meine Prinzessin. Irgendwas wird sich da ergeben, damit ich nicht wochen-täglich an die Front muss.

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