Sozialversicherungskrise? Meine Ideen.

Es verschlägt die Wiener U-Bahn-Zeitung am frühen Morgen schon bis nach West-Österreich, wenn die ersten Wiener zu ihren Arbeitsplätzen an der Westbahnstrecke fahren. So bekomme ich dieses wertvolle Stimmungsbarometer immer morgens in Haag in die Hand, wenn ich nach Wien reinpendle. Hauptthema heute ist das Rekord-Defizit der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK).

Gab es 1997 noch einen Bilanz-Überschuss von über 60 Millionen Euro, folgte 1998 der Absturz auf ein Minus von mehr als 40 Millionen. Ich frage mich, was da passiert ist. Seither ist der Begriff “kranke Kasse” in aller Munde, diesjährig zusätzlich angefacht durch die letzten Zahlen, die einen Fehlbetrag von mehr als 100 Millionen bescheinigen. Ich war bisher nicht beunruhigt, nahm ich doch an, dass die rote Stadt Wien sicher für die Differenz aufkommen würde. Umso erschreckender ist für mich als fleissiger Abgabenzahler die Aussage des Rechnungshofs, dass die WGKK eigentlich reif für einen Konkurs sei. Auf einmal ist die Wiener SPÖ gar nicht mehr so stolz auf ihre Vormachtstellung im ach so sozialen Wien.

In den letzten 14 Monaten (Dez 2006 – Nov 2007) habe ich von meinem Bruttogehalt 10.000 EUR in das “rote Loch” WGKK eingezahlt, mein Dienstgeber mußte noch zusätzlich rund 12.000 EUR drauflegen. Von dem Geld gingen …

12.700 EUR für Pensionisten
4.200 EUR für kranke Leute
3.300 EUR für Arbeitslose
600 EUR für die Wohnbauförderung
500 EUR an die Stadt Wien
300 EUR für die Arbeiterkammer

Ich habe damit 2 Pensionisten gefüttert, die durchnittliche Pension in Österreich beträgt rund 500 EUR. Das AMS konnte von meinem Beitrag 4 Monate an Arbeitslosengeld zahlen, das durchschnittliche Arbeitslosengeld für Männer beträgt rund 770 EUR.

Konsumiert habe ich hingegen gerade mal ein paar Hundert Euro an Sozialleistungen, weil ich ein paar Mal beim Arzt war. Jedes Mal, wenn ich einen Gehaltszettel in die Hand nehme, dann steigt in mir die Wut auf dieses lächerliche System auf. Wenn man sich bewusst macht, dass einem von jedem Gehalt 15% an Gemeinnutzen abgezogen werden, dann vergeht einem beinahe die Lust auf das Arbeiten selbst.

Versicherung ist immer dann ein schlechtes Geschäft, wenn man sie nicht braucht. Ihr Prinzip ist ja, dass ich für für einen beliebigen Schadensfall ausrechnen kann, wie wahrscheinlich dieser ist. Als Versicherung versuche ich dieses Kosten-Risiko auf möglichst viele Kunden zu verteilen. Daher suche ich mir Personen, die so einen Vertrag bei mir abschliessen. Der Clou ist, dass eine Krankenkasse sich nicht um Kunden bemühen muss, denn erstens ist man als Österreicher verpflichtet sich sozial zu versichern. Zweitens haben die Kassen allesamt Monopolstellung. Drittens erhebt niemand Anspruch auf Kontrolle über seine Sozialabgaben, da diese eh vor der Auszahlung vom Arbeitgeber bereits abgeführt werden, man fand sich damit ab, dass das Geld einfach weg ist.

Aufgrund ihrer privilegierten Stellung braucht sich das Geld für die Krankenkassen nicht ausgehen, auf dem freien Markt wäre die WGKK vermutlich wirklich schon bankrott gegangen.

Der versicherungsmathematische Imperativ ist, dass ein potentiell “teurerer Versicherungskunde” auch höhere Prämien zahlen sollte, wie z.B. beim Bonus/Malus-System der Autoversicherung. So könnte man für jeden Versicherungsnehmer statistisch berechnen, wie wahrscheinlich er in diesem Jahr in Pension gehen, arbeitslos oder krank werden wird. Und wenn so ein “Schadensfall” eintritt, dann kann man ziemlich genau schätzen, was dieser die Kasse kosten wird. Dieses Risiko könnte man über mehrere Kategorien hinweg aufteilen: nach Alter, nach Branche, nach Gesundheit. Daraus würden sich ständig dynamisch angepaßte Versicherungsprämien ergeben. Es wäre dann besser, wenn diese nicht mehr vom Arbeitgeber abgeführt, sondern dynamisch vom Bankkonto abgezogen würden. Weil die Versicherung weiß, wann das Geld auf’s Konto kommt, könnte sie den Einzug mit gleichem Valuta durchführen, so dass der Versicherungsnehmer die Prämien nicht “versehentlich” ausgeben kann.

Wäre das nicht unfair für manche Bevölkerungsgruppen? Nun, mit dem Alter und der Lebensgebarung werden Krankheit und Pension wahrscheinlicher. Somit würden die Prämien für die Menschen die aufgrund langer Beschäftigungszeiten wesentlich besser verdienen auch teurer. Junge Leute, die noch Geld brauchen um Familien zu ernähren, würden auch mehr Geld in die Hand bekommen. Hier hätten wir die Lösung für das Dilemma, dass junge Lehrer in Österreich zu wenig verdienen.

Würden junge Familien auf diese Weise entlastet, kämen sie vielleicht eher auf den Gedanken sich Kinder anzuschaffen, was wieder ein Bonus für das marode Pensionssystem wäre. Ich möchte in diesem Zusammenhang dem Staat Österreich ein Geschäft vorschlagen. Wenn mir die Zahlungen an die Pensionskasse erlassen werden, dann verspreche hiermit, mit den zusätzlichen 1000 EUR monatlich sofort mit der Produktion von Nachwuchs zu beginnen. Ich werde die zusätzlichen 3 Österreicher in rund 20 Jahren fertig ausgebildet und mit hoher Zahlungsmoral ausgestattet liefern.

Die Kassen sind sowieso computerisiert und es wäre ein leichtes diese Zahlungsverwaltung elektronisch und automatisch durchzuführen. Den Arbeitgebern wäre das sicher auch recht, weil sie dadurch wesentlich weniger Aufwand bei der Bezahlung ihrer Arbeitnehmer hätten. Das könnte viele zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, weil es für die Unternehmer keinen Unterschied mehr zwischen Vollzeit, Teilzeit, Freier Dienstnehmer oder Selbständigen geben würde. Diese Unterscheidung würde die Kasse dynamisch treffen und sich quasi mit den Arbeitenden basierend auf ihren Beschäftigungsdaten direkt ausmachen.

Privatisierung für die Krankenkassen ist natürlich auch keine Lösung, denn eine wirtschaftlich denkende Versicherung wird immer versuchen, sich um möglichst viele Leistungen “zu schrauben” um vom Gewinn dann fette Dividenden an die Besitzer zu zahlen. Das hat uns das amerikanische Experiment gut dokumentiert vorgemacht. Aber ich glaube, dass die Bevölkerung zu begreifen beginnt, dass der sozialistische Solidar-Gedanke “gleiche Gebühren für alle unabhängig von den Leistungen” einfach nicht mehr funktionieren kann.

Am tollsten ins Knie schießt sich die Krankenkassen aber sicherlich durch die Höchstbeitragsgrundlage von 52500 EUR. Gerade in Wien sitzen neben den meisten Pensionisten nämlich auch die am besten verdienenden Politiker, Geschäftsführer und Beamten. Mein Jahreseinkommen beträgt 45.000 EUR, ich bin damit nur 7000 EUR vom der maximalen Beitragsgrundlage entfernt, obwohl ich nur leicht überdurchschnittlich verdiene. All die Krösi mit dem zehnfachen Einkommen von mir haben dennoch kaum mehr an Sozialleistungen zu tätigen. Die Einkommenssteuer ist da wesentlich fairer, denn hier gibt es diese verzerrende Obergrenze nicht. Danke, dass ist ur fair! Sehr sozial!

This entry was posted in Life. Bookmark the permalink.