Mehrere sogenannte “Motivforschungsinstitute” versuchen zu ergründen, warum Menschen so handeln wie sie handeln. Unsereins kommt häufig in Kontakt mit ihnen, wenn man beispielsweise gebeten wird, einen Fragebogen auszufüllen oder einen entsprechenden Telefonanruf bekommt. Mit Fragebögen bekommt man als Motivforscher in kurzer Zeit viel Material, aus dem man sich dann eine passende Statistik fälschen kann. Aber die Befragten ärgern sich zumeist, weil einerseits geht man mit seiner Meinung in einer Masse unter, andererseits bekommt man dafür kein Schmerzensgeld.
Wesentlich erfreulicher ist die Teilnahme an einer Gruppendiskussion. Hierbei laden Motivforscher Personen aus der Zielgruppe ein, ihre Meinung zu bestimmten Themen offen zu diskutieren. Ich war gestern bei so einer Veranstaltung mit insgesamt 4 Männern, 4 Frauen, einer Diskussionsleiterin und einem Helfer, der eifrig am Laptop mitschrieb während eine dezente Videokamera uns filmte. Ich war zuvor telefonisch gefiltert worden, damit ich in die Zielgruppe passe, allerdings wurde uns erst nach etwa einem Drittel der zweistündigen Diskussion erklärt, was diese Zielgruppe sei.
Anfangs erzählten wir alle frei heraus über die letzten Urlaube, die wir so unternommen hatten, beschrieben die Planung eines besonderen Urlaubes genauer und dann mußten wir zu einem Stapel Fotos assoziieren, welche davon wir am ehesten mit dem Begriff “Abenteuer” verbinden würden. Dann erklärte uns die Moderatorin, dass wir zur Gruppe der Individualtouristen gehören würden und dass es insbesondere um Spanien ging. Hierbei stellte sich heraus, dass kaum einer von uns etwas mit dem Land der Stierkämpfer anzufangen weiß. Wir waren uns einig: wir fahren nur nach Spanien, wenn wir alle anderen Reiseziele auf unserer Wunschliste erledigt haben. Spanien ist für Individualisten out, Stichwort: Ballermann.
Uns wurden 4 “Packages” vorgelegt, die wir bewerten un in eine Rangfolge bringen sollten. Dabei spitzten die Forscher besonders die Ohren, wenn wir erklärten, welche einzelnen Elemente uns am meisten ansprachen. Fahrt mit einem Fischerboot. Ein Apartment in den Bergen von Madrid mieten. Katalanischer Kochkurs. Das waren meine Favoriten. Sport in Naturschutzgebieten. Dies war der konkreteste Programmpunkt und gleichzeitig jener bei dem die Diskussionsteilnehmer die verschiedensten Meinungen vertraten. Eine Person mit psychologischem Geschick findet in unseren Äusserungen ein Riesenmenge an wertvollen Indizien, die ein herkömmlicher Fragebogen wahrscheinlich ignoriert hätte.
Zum Abschluss zeigte die Leiterin uns noch das bekannte Spanien-Logo von Miró, bestehend aus einem Sonnen-Symbol mit kindlicher Schrift Espana darunter. Hier waren wir uns wieder einig: das ist zu ausgelutscht und braucht dringend Erneuerung. Pünktlich zwei Stunden nach Beginn wurde uns für die Teilnahme gedankt, die Aufwandsentschädigung von 25 Euro hatten wir schon vor Beginn eingesackt. Die Unterhaltung war im Verlauf immer angeregter geworden und so verflog die Zeit wie im Flug.
Das Spannende an diesen Gruppendiskussionen ist neben des Taschengeldes für mich, zu überlegen, um welchen Auftraggeber oder welches Produkt es gehen könnte. Bei meiner ersten Diskussion ging es darum, ob wir mehr für einen Orangensaft zahlen würden, der nicht aus Konzentrat hergestellt und daher im Kühlregal zu finden sein würde. Wenig später war Cappy Premium tatsächlich eingeführt worden. Ich vermute im aktuellen Fall, dass entweder Spanien selbst wissen möchte, wie sie bestimmte Schichten von finanzkräftigen Touristen ansprechen können, oder dass ein exklusiver Veranstalter plant Spanien als Destination für Individualtouristen abseits des Ballermann-Trubels zu reüssieren.