Wieder einmal ist in den Medien zu lesen, dass sich die Preise für Lebensmittel so viel mehr (7,7%) verteuert hätten als die Inflationsrate (3,5%). Die Gründe hierfür sind vielfältig, aber die Reaktion der Konsumenten ist einheitlich: man ärgert sich natürlich den Konzernen und ihrer Preisgestaltung ausgeliefert zu sein.
Die ganz Schlauen fühlen sich in ihrer Strategie bestätigt viel Zeit und Wege in Kauf zu nehmen um bei den verschiedenen Ketten den günstigsten Preis zu finden. Doch eine Erhebung der AK Steiermark ergab, dass sich die Preise trotz des Discounter-Image von Penny oder des Premium-Image von Billa kaum wirklich unterscheiden. Man möchte meinen, dass bei Penny “alles billiger” wäre, aber das Preisspektrum dort ist schlicht weiter gestreut. Während Kartoffeln und Gauda die billigsten Produkte waren, haben sie bei Fruchtjoghurt und Eier die höchsten Preise im Vergleich. Einzig Billa hatte eine dramatischen Ausreißer nach oben, der Gauda war dort um 2 Euro teurer als bei der Konkurrenz. Es liegt nahe zu vermuten, dass dies ein “Meßfehler” sein könnte.
Wäre dieser Käse gleich wie bei den anderen, dann bewegte sich die Gesamtrechnung des Testeinkaufs zwischen EUR 21,10 und 22,46, kaum ein Grund sich graue Haare wachsen zu lassen und sich auf die ständige Schnäppchensuche zu begeben. Langer Rede, kurzer Sinn: das Image von Ketten ist genau nur das: ein Image.
Mag sein, dass ich als regelmäßiger Billa-Kunde mehr Geld für meine Lebensmittel ausgebe, aber das tue ich sowieso, weil ich grundsätzlich zu “Ja! Natürlich!” greife, wo das nur möglich ist. Bei den Eiern beispielsweise stammt der Preisanstieg daher, dass die Käfighaltung von Legehennen verboten wurde. Das heisst also de facto, dass die Dumpingpreise, die es vorher aus einer tierunfreundlichen Produktion gab, wegfallen und alles mehr oder weniger bio wird. Und wenn dem so ist, dann greife ich als Konsument sowieso lieber zu einer Marke, die sich diesen Tierschutz auch per Bio-Siegel bestätigen lässt.
“Bei verarbeiteten Produkten sind die Preissteigerungen die Folge stetig steigender Energiekosten, die Transportkosten und Löhne nach oben ziehen” fasst Gerhard Wlodkowski, Präsident der Landwirtschaftskammer, die Gründe knackig zusammen.
Und was sind die Energiekosten? In Wahrheit Erdöl, Benzin, Diesel! Da merken wir, dass zu wenig Energie aus Biomasse stammt, denn Holz ist aktuell so billig wie nie, weil es durch jüngste Unwetter so ein grosses Überangebot gibt, dass Waldbesitzer sogar Holz zurückhalten um einem dramatischen Preisverfall auszuweichen. Es kommt also wieder auf das leidige Thema unserer Abhängigkeit vom schwarzen Gold, für das wir Unsummen an die ölproduzierenden Ländern zahlen müssen.
Politiker fordern mal wieder “mehr Wettbewerb bei den Nahrungsmittelpreisen und beim Treibstoff” und beweisen damit, dass sie überhaupt nichts überknusert haben. Diese Wachstumsschmerzen sind einzig und alleine in einer schweren Sucht begründet, unser Dealer ist die OPEC. Diese wiederum ist ein Kartell und diktiert den Ölpreis. Je höher dieser ist, umso größere Wolkenkratzer können die Scheichs bauen. Machen kann man beim Ölpreis nichts, der Welt sitzt immer noch der Schock im Nacken, als die OPEC kurzfristig Öl als politisches Druckmittel missbrauchte. Kaum einer erinnert sich in meiner Generation, aber in Österreich gab es in dieser Zeit einen amtlich verordneten autofreien Tag! Sowas wäre heute undenkbar.
Wenn ich im Geschäft stehe und sehe österreichische Bio-Tomaten, spanische und italienische, welche soll ich nehmen? Schauen alle nicht eigentlich mehr oder weniger gleich aus? Ich mache es mir einfach und nehme primär die, wo für mich schon “Ja!” sagen. Gibt es keine, nehme ich die aus Österreich. Der hirnlose Konsument nimmt vermutlich diejenigen, welche am günstigsten sind und hält damit ein krankes Produktionssystem am Leben.
Ich sehne den Tag herbei, an dem die spanischen Glaswolle-Tomaten durch die gestiegenen Transportkosten MEHR kosten als die Bio-Tomaten aus dem Inland. Denn dann ist nicht nur die Kostenwahrheit endlich Wirklichkeit geworden, sondern die natürliche Art sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen wird wieder modern werden. Und diese ist eben: lokale statt globale Produkte.
Trotz aller verzerrter Marktbedingungen haben sich in Österreich Lieferanten etabliert, die einem praktisch ohne zusätzliche Kosten die besten Bio-Lebensmittel bis an die Haustüre liefern. Als leuchtendes Beispiel sei Biohof Achleitner genannt. Denen schickt man am Wochenanfang eine E-Mail mit seinen Nahrungsmittel-Wünschen, am Donnerstag werden einem diese zugestellt. Alles Bio, auf Wunsch auch regional. Das Service? Exzellent! Die Mehr-Kosten? Nicht zu merken? Einziger Nachteil: nicht im gesamten Staatsgebiet, sondern nur im sinnvollen Versorgungsradius. Wer aber das Glück hat darin zu wohnen, der bekommt ein spürbares Plus an Lebensqualität.*
Der Markt ist hart aber gerecht. Mittelfristig werden jene Nahrungsmittelproduzenten die Nase vorne haben, die die Erdölkosten weitgehend aus ihrem Produktionsprozess ausklammern können. Energie aus Erdöl-Alternativen. Weniger Verarbeitung, und damit weniger Verarbeitungskosten. Weniger Hilfsstoffe (wie Kunstdünger) und damit automatisch BIO.
Ich sehe eine Entwicklung auf eine Welt hin, in der Bio billiger sein wird als Nicht-Bio. Energie aus Bio-Masse und Lebensmittel aus Bio-Herstellung. Wenn Bio der Standard ist, dann haben wir die bunte Scheinwelt der Industrialisierung endlich hinter und gelassen. Blühende Zeiten.
* Update 13:28: Mitter’s gesunde ökokiste versorgt auch Wien.