Ich wagte mich ins Weinhaus Sittl um dort am 15. Mai 2008 der Premiere von Richard Weihs’ neuestem Wurf AUFG’LEGTE WUCHTELN zu lauschen und für Klein&Kunst zu berichten.
Ich zähle mich selbst zur immer kleiner werdenden Gruppe von Menschen, die wenig bis gar nichts mit massenhysterischen Passiv-Sportveranstaltungen anfangen können. Passend zur bevorstehenden europäischen Fussballmeisterschaft kam mir das jüngste Programm von Richard Weihs gerade recht, um der allseitigen angeblichen Euro-Phorie etwas auszuweichen.
Als ich das Weinlokal Sittl am Wiener Gürtl betrat empfand ich mich zunächst in eine andere Welt versetzt, war völlig von der herrschenden Heurigen-Atmosphäre im kleinen Garten überrascht. Ebenso gemütlich begann Weihs mit akademischer Zeittoleranz im dortigen Hinterzimmer sein Programm, nachdem Zuschauer im Ausmaß von 2 Fußballmannschaften dieses halbwegs gefüllt hatten.
Die häufige Betonung, dass es sich dabei um “lauter Bekannte” handeln würde, verstärkte meinen Eindruck, dass der Herr mit 15 Jahren Bühnenerfahrung gewohnt ist einen sehr spezifischen Nischengeschmack zu bedienen. Jedenfalls fühlte ich mich für die 2 Stunden auch in den erlauchten Bekanntenkreis eingelullt, obwohl ich statt Wein nur alkoholfreies Bier trank.
Das Programm bestand zum großen Teil aus Fundstücken, die Herr Weihs aus Printmedien und dem Internet zum Thema Fußballfrust zusammengetragen hatte. Wie für den scheinbaren Akademiker passend, lieferte er auch brav alle Quellenangaben, was die Originalität leider auf die Hand voll Lieder beschränkte, die er dazwischen streute, vorgetragen auf Harmonika, Gitarre oder Maultrommel.
So fand sich in der Auswahl von Wuchteln, die er dynamisch aus einem Klarsicht-Folder zusammenstellte, der Volkhochschul-Kurs zum richtigen Umgang mit Niederlagen der eigenen Mannschaft, genauso wie das Anlageprodukt “Cordoba Garant”, das sichere 3,2% Bonus verspricht, sollte Österreich gegen Deutschland 3:2 gewinnen.
Ich hatte einen wienerischen Anti-Fussball-Grantler erwartet, und so brauchte ich einige Zeit, mich an den gemütlichen, beinahe intellektuellen Stil zu gewöhnen. Die Emotion war im Musik-Stil versteckt, der eine bunte Mischung aus selbst komponiertem Wienerlied, Country und Blues bot. Die Lieder selbst hatten nur am Rande mit dem Thema zu tun, aber die Idee erschien mir durchaus schlüssig, Lieder zu wählen, deren Grundtenor, wie zum Beispiel die Lust zu Leiden, sich auch im TV-Fussball wieder finden lassen. Eine gute Auflockerung zu den Beiträgen, die sonst alle um die runde Kugel kreisten.
Bei den Fußballzitaten sparte sich Weihs absichtlich aus, sind diese doch für gewöhnlich Standard, will sich ein Künstler über die archaischen Stammesriten im Stadium lustig machen. Aber die massivste Erschütterung meines Zwerchfells erlebte ich, als er in der ersten Verlängerung endlich den goldenen Spruch des deutschen Fussballtrainers Dettmar Cramer auf uns los ließ: “Es hängt alles irgendwo zusammen. Sie können sich am Hintern ein Haar ausreißen, dann tränt das Auge.”
Richard Weihs hat eine liebenswerte gemütliche Art, die alle Nicht-Fussballfans in bequemen zwei Stunden auf den humoristischen letzten Stand bringen, auf dass sich die kommende EM 2008 noch eine Spur schmerzfreier ertragen ließe.
Infos:
Nach der Premiere gibt es noch 8 Vorstellungen bis 31.5.08