Ich bezweifelte dass Jeff Harvis in seinem Buch “Was würde Google tun?” im folgenden Satz wirklich einen Parallele zu Seifenkisten-Rennen ziehen wollte. Die Übersetzerin Heike Holtsch hat sich da etwas vertan.
“Schon wieder Materie, aber ich wette, wir, die Kunden, werden online auf Seifenkisten steigen und gegen die Hersteller wettern, damit sie endlich diese übertriebenen Verpackungen reduzieren.” (Seite 375, gebundene Ausgabe 2009)
Es gibt schon lange keine Kisten mehr, in denen Seife transportiert wird. Warum sollte man auf solch eine nicht verfügbare Kiste steigen. Das wäre doch absolut widersinnig. Steigen können wir Deutschsprachler nur auf Barrikaden, aber das kann auch nicht gemeint sein, denn Jarvis redet von keiner Revolution. “Soapbox” einfach nur wörtlich zu übersetzen, dass bringt mich auf die Barrikaden! Autsch!
Im englischen Sprachraum ist eine Seifenkiste ein besonderes Symbol für freie Meinungsäußerung. Solch eine stabile Kiste bot nämlich mach einem angehenden Politiker eine stabile und erhöhte Platform von der er aus seine Reden schwingen konnte. Es musste aber kein Politiker im engeren Sinne sein, der solch eine Kiste erklomm. Jeder konnte sich dank solch einer Mini-Tribüne Gehör verschaffen, weil er so seine Zuhörer kostenlos ausreichend überragte, so dass mehr Zuhörer eine Worte verstehen konnten. Wikipedia führt den Londoner Hyde Park as bekannte Stelle an, wo sich seit 1872 Sprecher versammeln um über eine Vielzahl an Themen zu referieren.
Die Schlussfolgerung, dass Barrikaden gemeint sein müßten ist also falsch. Barrikaden symbolisieren nämlich den Kampf gegen einen Agressor. Die Seifenkiste hingegen symbolisiert in der englischen Welt friedliche aber dennoch effektive Meinungsäußerung. Hier könnte auch der Grund begraben sein, warum wir eine so viel schlechtere Dabattier-Kultur haben, als beispielsweise die Briten. Während diese nämlich die meiste Zeit des 20. Jahrhunderts ihre Meinungsäußerung (stehend auf Seifenkisten) üben konnten, war es in Mitteleuropa eher üblich in geschlossenen Räumen und politischen Clubs unter Gleichgesinnten seine Meinung zu äußern, aus Angst, dass einem aus seiner Gesinnung ein Strick gedreht werden könnte.
Im Deutschen gibt kein Symbol wie die “Soapbox”, weshalb man auf eine erklärende Übersetzung ausweichen muss. Oder man läßt es weg, wenn man sich nicht die Mühe machen will, die Kernaussage des Autors in die andere Sprache zu übersetzen.
“Schon wieder Materie, aber ich wette, wir, die Kunden, werden uns darauf besinnen, dass wir unsere Meinung online frei äußern können und gegen die Hersteller wettern, damit sie endlich diese übertriebenen Verpackungen reduzieren.”
Jarvis meint nämlich, dass auch ich hier auf meinem Blog gewissermassen meine Seifenkiste habe und zwar nicht gegen Verpackungen, aber irreführende Übersetzungen wettere. Ich darf das, das ist meine Kiste und wenn Sie das nicht hören wollen, dann gehen sie zur nächsten Ecke, wo jemand anderer seine Meinung sagt.