Obwohl ich schon etwas bin gehöre ich dennoch zur “Generation Internet”. Wikipedia beschreibt die Digital Natives (“digitale Ureinwohner”) als jene Leute die mit dem Internet aufgewachsen sind. Die Grenze liegt bei Geburtenjahrgang 1980. Zum Internet “zuagreist” sind jene älteren Semester, die sich noch an eine Zeit ohne Internet erinnern können. Das sind dann Digital Immigrants (“digitale Einwanderer”).
Mit meinem Geburtsjahr 1974 gehöre ich noch zu den Ureinwohner, wenngleich ich mich an eine Übergangszeit erinnern kann. Zu meiner Teenager-Zeit gab es in Österreich noch praktisch keine Verbreitung des “echten Internets”, sondern Vorläufer wie das FidoNet oder Compuserve. Aufgrund meines persönlichen Interesses machte ich mir diese und in Folge dann das heutige Internet zueigen.
Dies versetzt mich in die Lage intuitiv an der Transformation des World Wide Webs mitzuwirken. Vom statischen Sammelsurium an Informationen geht die Reise über Social Media hin zu mitdenkenden Computer-Assistenten die in unserem Interesse agieren. Und wie wir uns Real World 2.0 vorstellen und welche Rolle mein ProductLayer-Projekt dabei spielen wird.
Web 1.0
Das WWW bestand historisch aus zwei Teilen: TCP/IP dem Transport-Verbindungs-Protokoll (also wie Daten zwischen Computern transportiert werden) und HTML, der Hypertext Markup Language (also wie Inhalte so dargestellt werden, dass sie für Menschen lesbar sind). Das lief im Prinzip so ab, dass eine grosse Firma oder auch ein Computerfreak statische HTML-Dateien auf seinen Webserver stellten und diese dann unter einem Domain-Namen für alle Welt Abruf bar sind. Dieser Vorgang wird gemeinhin als Web 1.0 bezeichnet, eben als Version 1.
Web 1.0 entsprach der herkömmlichen Art wie Information in der alten Welt geflossen ist: von einer zentralen Stelle nach aussen, wie Speichen an einem Rad. Alles drehte sich um die zentrale Autorität. In gewisser Weise funktioniert vieles in unserer Welt immer noch so, hierarchisch, zentralistisch.
Web 2.0
Doch dann kam jemand auf die Idee das Publizieren von Information so sehr zu vereinfachen, dass in Prinzip jedermann zum Informationsproduzenten werden kann, wenn er dies wünscht. Dies fing an mit Blogging-Services wie Blogger und setzte sich fort mit Social Network System wie Facebook und Twitter. Hier sind die Konsumenten der Informationen oft auch ihre Produzenten. Von Laien auf Instagram geteilte Bilder haben – wenn die Bilder schön sind – den gleichen Stellenwert wie Werke von Fotografie-Profis. Dies ist die Grundlage für das, was als Web 2.0 bekannt wurde.
Noch immer werden Informationen über TCP/IP transportiert und es gibt auch HTML immer noch. Aber das interessiert die meisten Nutzer von Social Networks nicht mehr. Es zählt nur mehr wer wem “folgt” bzw. wer mit wem befreundet ist. Je größer die Zahl der Kontakte, umso grösser die mediale Macht des Einzelnen.
Dass Individuen nunmehr nahezu gleichberechtigt mit Journalisten oder PR Agenturen agieren können hat die Märkte zu demokratisieren begonnen. Eine heisse Information macht oft viel schneller die Runde via Twitter, als es der betroffenen Firma lieb ist. Vielleicht war es das, was Technologie-Aktivisten mit ihrem Credo meinen:
“Information wants to be free”.
Die ersten beiden Entwicklungsstufen des Internet haben aber immer noch gemeinsam, dass es um Informationen geht, die schlussendlich Menschen untereinander austauschen.
Web 3.0
Jahre nachdem sich Smartphones bei den Usern durchgesetzt haben, begann die Entwicklung “digitaler Assistenten”. Ein Programm versucht aufgrund von einigen Informationen die der Benutzer zur Verfügung stellt hilfreiche Tätigkeiten auszuführen. Im Science Fiction Genre geht das so weit das diese Programme vortäuschen können eine Persönlichkeit zu besitzen und haben mehr oder wenig eigenständige Handlungsfreiheit. Wie zum Beispiel eine Sekretärin, die ein Telefonat annehmen kann und stellvertretend Termine für uns verwaltet.
Es wird noch eine Zeit lang dauern, bis die nötige Computer-Rechenleistung existiert eine Intelligenz zu simulieren, die dem Menschen nahe kommt. Wenn man an Problem in der Gegenwart nicht durch Qualität (von künstlicher Intelligenz) lösen kann, dann liegt nahe stattdessen den Ansatz der Quantität zu probieren. Und daraus entstand das weite Betätigungsfeld, auf neu-deutsch als “Big Data” bezeichnet. Hier geht es darum in Daten nach Mustern zu suchen, die für die manuelle Verarbeitung zu komplex sind, die zu schnell verändern. Und dann daraus Schlüsse zu ziehen, die uns Menschen wieder überraschen.
Jedenfalls ist ein “digitaler Agent” für mich umso nützlicher umso mehr “Wissen” er über die Welt besitzt. Weil dann ist er zumindest in der Lage mit Fragen zu beantworten, die man sonst auf Google eingeben müsste. Wie wird das Wetter heute? Was spielt es in meinem Lieblingskino? Was für Termine habe ich heute noch?
iPhone Nutzer kennen das von Siri, der netten digitalen Frauenstimme, die seit einigen Jahren in allen iPhones eingebaut ist. Sie ist nicht intelligent, aber sie hat Zugriff auf Informationen im Internet. So kann man beispielsweise in den USA einen Tisch in einem Restaurant reservieren.
Eine grosse Menge an Wissen/Daten/Information kann über fehlende Intelligenz hinwegtäuschen
Die dritte Evolutionsstufe des Internets ist – schlicht und ergreifend – dass Informationen gleichermassen für Menschen wie für Computer verständlich sind. Auf Webseiten kann dies dadurch bewerkstelligt werden, dass – unsichtbar für Menschen – bestimmte Textstellen Markierungen enthalten. Das ist ein Datum. Das ist ein Titel. Das ist eine Meinung über das Produkt. Fachleute bezeichnen diese “maschinelle Verarbeitbarkeit” als Semantic Web. Oder eben Web 3.0.
Ein digitaler Assistent, oder in weiterer Folge ein digitaler Agent, kann solche Informationen verarbeiten und für uns filtern. Ja, schlussendlich sogar in unserem Sinne entscheiden. Vermutlich keine lebenswichtigen Entscheidungen, aber zumindest, dass Milch nachgekauft werden sollte.
ProductLayer
Vieles wurde in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr digital, digitale Musik (MP3), digitale Filme (video-on-demand), digitale Bücher (Kindle, iBooks). Aber dieser Trend bezieht sich hauptsächlich auf sogenannte Medien. Also die Art und Weise wie Unterhaltung transportiert werden kann. Ob Bild und Ton über eine Plastikscheibe oder drahtlos transportiert werden, ist für die Konsumation auf einem Fernseher nicht relevant.
Anders ist es bei unserem sonstigen täglichen Leben. Wir müssen physisches Essen zu uns nehmen. Gewand aus Materie anziehen. Wir haben Fernseher, Laptops und Handies die man anfassen kann. Wir Menschen leben in einer physischen Welt. In dem Maße in dem das Internet mehr Informationen enthält, finden sich dort auch mehr Informationen die unsere physische Welt beschreiben. Das Problem hier ist aber eben, dass es ein unmögliches Unterfangen wäre die Leute, die diese Informationen veröffentlichen zu zwingen diese in einem für Computer verständlichen Format darzustellen. Insbesondere nicht, wenn es eine Firma wie Coca Cola ist, der nur daran gelegen ist ihr Marken-Image zu fördern.
Wenn man aber dennoch in Zukunft eine Möglichkeit haben will, dass digitale Agenten über unsere Lebensmittel und Konsumgüter intelligente Aussagen treffen können, dann muss diese Information irgendwo gesammelt und standardisiert werden. Und dies ist die Idee, welche wir mir ProductLayer seit etwas mehr als einem Jahr verfolgen. Eines Tages will ich mein iPhone fragen: “Siri, morgen kommt der René zu Besuch. Was trinkt der gerne?”
ProductLayer soll die hierfür zwangsweise nötige Datenquelle sein und solche Fragen beantworten können. Dazu ist es einerseits nötig, dass unser System lernt verschiedene Arten von Produkten zu unterscheiden. Was kann man trinken, was essen, was schmiert man sich ins Gesicht, was sprüht man auf? Was für Dinge verträgt jemand nicht, beispielsweise aufgrund einer Allergie? Oder vielleicht will jemand zu grosse Mengen an Zucker vermeiden? Oder versucht möglichst viel Eiweiss zu sich zu nehmen?
Bei Amazon.com sieht man: “Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch”, “Ähnliche Artikel wie die, die Sie sich angesehen haben” und “Ihnen könnten diese Artikel gefallen”. Dort dient diese Information natürlich primär dazu, die Verkaufszahlen zu steigern, nicht um das Leben der einzelnen Menschen besser werden zu lassen.
ProductLayer hingegen soll lernen, was meine Vorlieben und Abneigungen sind und daraus in der Lage sein mir neue Produkte zu empfehlen, die mir bisher noch nicht über den Weg gelaufen sind, die aber perfekt zu mir passen. Und wenn ProductLayer das über mich weiss, dann auch über meine nahen Freunde. Soweit die langfristige Vision, bis dahin ist noch viel zu tun. Daher ist unser erster Schritt der folgende:
Prod.ly
Um zu lernen, was Leuten gefällt, stellen wir ihnen ein Social Network zur Verfügung auf dem sie ihre Vorlieben und Abneigungen veröffentlichen können. Jegliche Interaktion mit Produkten des täglichen Lebens löst in uns Emotionen aus. Und viele Leute wollen diese Emotionen mit ihrem Freundeskreis teilen. Der Vorteil dabei seine Meinung zu einem konkreten Produkt auf prod.ly zu sagen ist einerseits, dass wir analysieren können, welche Produkte eher positiv und welche eher negativ ankommen. Es ist extrem spannend von Leuten die man seit Jahrzehnten kennt zu erfahren, was sie so mögen.
Zeig mir Deinen Kühlschrank und ich sage Dir wer Du bist
Bevor es prod.ly gab, habe ich oft ein Foto und ein Statement auf Twitter oder Facebook veröffentlicht. Nur dass diese Information binnen weniger Sekunden im Schwall der Daten unterging. Heutzutage mache ich das gescheiter. Ich schreibe meine Meinung in der iPhone prod.ly app und sie wird an 3 Orten sichtbar, sowohl auf prod.ly als auch den anderen Netzen. Wenn jemand anderer sich das gleiche Produkt ansieht, dann sieht er die Meinungen anderer Nutzer. So kann sich um jedes Produkt ein Tratsch entwickeln. Produkte um die viel diskutiert sind, sind “heisser” als solche, wo keiner seinen Senf dazu geben will.
Wem glaubst Du eher, dass ein Getränk gut schmeckt? Der Verpackung? Dem Hersteller? Amazon.com? Oder Deinem Freund auf prod.ly, der es ausprobiert hat?
Du magst Dich jetzt fragen, wen denn überhaupt Deine Meinung interessiert. Vor allem zu so banalen Sachen wie einer Packung Käse. Wir glauben, dass es viel zu viele verschiedene Produkte gibt, als dass ein Mensch es im Überblick behalten könnte, was der Lieblingskäse, Lieblingswein, Lieblingsdeo etc. von unseren Liebsten sind. Wenn wir dies aber wüssten, dann ist es fast so, als ob unsere Freunde unsere Gedanken lesen könnten. Der magische Moment wird immer öfter auftreten, dass man gerade exakt das vorgesetzt bekommt, was einem taugt. prod.ly macht einem die eigenen Interessen bewusst und liefert spannende Erkenntnisse über die Freunde. Nichts ist spannender als mehr über sich selbst zu erfahren, oder?
Der Unterschied zu ProductLayer ist, dass prod.ly ein Geschäftsmodell hat. So etwas braucht es heutzutage, dass ein Projekt eine Überlebenschance hat. Um die Vision von ProductLayer langfristig umsetzen zu können braucht es viele Daten, viel wissenschaftliche Forschung und viel Geld. Geld, was man für eine Vision alleine keinesfalls bekommen wird.
Der Ansatz von prod.ly hingegen ist, ein stark fokussiertes Betätigungsfeld zu verfolgen, nämlich Mikro-Erfahrungsberichte und Listen von Produkten. Geld wird verdient mit Werbebannern, die Google aufgrund von Schlüsselworten die in den Namen und Beschreibungen von Produkten vorkommen möglichst passend liefert. Weiters von Provisonen, wenn jemand ein Produkt über einen Link von uns kauft. Und später daraus, dass wir den Produktherstellern die Information verkaufen wollen, was für Bevölkerungsgruppen ihre Produkte mögen und welche nicht.
Uns ist auch daran gelegen eine Platform zu schaffen, ob der sich verärgerte oder begeisterte Konsumenten über bestimmte Produkte aufregen oder freuen können. Wenn sich zum Beispiel viele Leute darüber aufregen, dass Natriumglutamat in einem bestimmten Lebensmittel enthalten ist, dann kann das genug Motivation für den Hersteller sein, sein Produkt so zu verändern, dass aus Feinden Freunde werden. Die Kernidee von Web 2.0 ist dass Informationen nicht mehr hierarchisch von oben nach unten fliessen, sondern dass Konsumenten untereinander kommunizieren. ProductLayer und prod.ly sollen die Basis dafür werden.
Wir brauchen Deine Mithilfe
Dieser Beitrag entspringt der Hoffnung, dass ich zeigen kann, was prod.ly und ProductLayer Dir bringen werden.
Ich schrieb bereits weiter oben, worum es bei prod.ly geht. Uns ist auch Deine Meinung sehr wichtig. Probier doch unsere iPhone app aus und scanne ein paar Produkte ein, zu denen Du eine positive Meinung hast. Sprich Deine engsten Freunde an und erkläre ihnen worum es geht. Der Wert von prod.ly für Dich ist umso grösser umso mehr Du es selbst nutzt, umso mehr Dein Freundes-Netz wächst. Wenn Du Facebook nutzt, dann teile Deine Produktmeinungen ebenso mit Deinen Freunden dort, damit sie auf prod.ly aufmerksam werden.
Ich danke Dir für Dein Interesse bis hier unten zu lesen. Das freut mich besonders, weil dieses Projekt mir so sehr am Herzen liegt wie noch nie eines.