Am 8. April 1997 hatte ich den Kaufvertrag für eine Wohnung in Simmering unterzeichnet. 19 Jahre und 4 Monate später, am 29. August 2016 endete dieser Besitz mit der Unterzeichnung des Ver-Kaufvertrags. Statistisch wechseln Europäer durchschnittlich 4 mal im Leben ihren Wohnort. So gesehen bin ich eh schon vorne dabei: der Umzug im Mai war schon mein Vierter.
Da habe ich aber die ersten paar Umzüge aussen vor gelassen, weil für die “konnte ich nichts”, als Baby. Ab dem Alter von 6 wohnten wir in Klosterneuburg, nordwestlich von Wien. Mit 22 kaufte ich die besagte Wohnung in Simmering, 3 Jahre nach dem Tod meiner Mutter.
Immobilienertragssteuer
Im Juni 2009, nach 12 Jahren in Wien, war ich nach Weistrach übersiedelt, wo ich fast 7 Jahre verheiratet war. Die Rückübersiedlung, nach Scheidung, passierte am 1. April 2014. Ich erwähne das deswegen so genau, weil ich deswegen Immobilienertragssteuer zahlen muss.
Bei der Veräußerung von Immobilien muss man den Gewinn versteuern. Eine Ausnahme gibt es, wenn man hat seit dem Kauf 2 Jahre ununterbrochen dort seinen Hauptwohnsitz hatte, oder man in den letzten 10 Jahren dort 5 Jahre ununterbrochen gewohnt hat.
Das Unfaire für mich ist: ich habe zwar 16 Jahre Jahre nach dem Kauf und 2 Jahre nach der Rückübersiedlung dort gewohnt, aber erfülle damit die Anforderung für die Steuerfreiheit leider nicht. In den letzten 10 Jahren habe ich nur 2 Jahre dort, nicht 5.
Und weitere 3 Jahre in Simmering zu wohnen, hätte mir überhaupt nicht in den Kram gepaßt. Eine Freundin und mir ihr ein Kind zu haben hätte ich Anfang 2014 noch nicht zu träumen gewagt. Das ist mir die paar Tausender Steuer allemal wert.
Preisentwicklung
Ich hatte das Glück, dass die Käuferin meiner Wohnung diese unbedingt haben wollte. So bekam ich einen wahren Liebhaberpreis. 1997 zahlte ich für die Bruchbude 50.000 Euro. Die Sanierung koste mindestens nochmal so viel, weil ich nicht an Luxus sparte. Beim Verkauf erzielte ich 145.000 Euro.
Das klingt jetzt nach viel Gewinn, aber man muss auch noch bedenken, dass die Verbraucherpreisentwicklung von 1997 bis 2016 rund 140% ausmachte. Die 100.000 für Kauf und Sanierung sind damit etwa 140.000 Euro von heutigem Geld. Durch die Immobilien-EST kommt somit für mich unter dem Strich plus/minus Null dabei heraus.
Man sieht aber eindrucksvoll: obwohl der Reingewinn praktisch nicht existent ist, bewährt sich der Besitz von Immobilien als Schutz vor der Inflation im Zeitraum von mehreren Dekaden.
Statt der pauschalierten Immo-EST hätte es auch noch die Regelbesteuerungsoption. Das Problem dabei ist, dass bei der Berechnung des Gewinns die Beträge ohne Inflationsanpassung hergenommen würden. Und es wäre vermutlich auch nicht so leicht zu dokumentieren gewesen, was die einzelnen Ausgaben für die Sanierung tatsächlich gewesen waren.
Emotionaler Lösungsprozess
In der letzten Woche vor der Übergabe der geräumten Wohnung hatte ich noch einen kleinen Ikea-Tisch mit 3 Klappstühlen in der Wohnung und nützte diese um mit unserem Praktikanten dort zu arbeiten. Während dieser über Programmierungsprobleme brütete, die ich ihm aufgab, packte ich restliche Sachen ein, saugte und wischte die Wohnung und versuchte mich emotional von der Wohnung zu lösen.
Die Käuferin der Wohnung hatte sich partout geweigert mir Ablöse für jegliche Möbel zu zahlen. Sie begründete das damit, dass die Finanz vielleicht sonst auf die Idee käme, es könnten diverse Geldbeträge “unecht steuerbefreit” (vulgo “schwarz”) geflossen sein.
So musste ich Dinge wie meinen großen Team 7 Kasten oder meine Infrarot-Kabine weit unter dem Wert nach Linz verkaufen. Mein Klavier und mein Sofa “rettete” ich in ein Lager. Mein 60″ Fernseher ging nach Mazedonien. Solche Verkäufe – speziell wenn man Will Haben dafür verwendet – bringen einen in die richtige “Scheiß drauf” Stimmung.
Dabei spielte sich einige Male folgender Dialog ab:
“Wo sind eigentlich meine selbst-aufblasenden Liegematten?”
“Wo auch das Zelt ist: im obersten Fach vom rechten Kastenteil in Wien”
“Verdammt! Das habe ich gestern vergessen auszuräumen”
“Na egal, dann hole ich die am Montag, vor der Schlüsselübergabe”
“Moment! Der Kasten war ja letzten Mittwoch zerlegt und nach Linz verkauft worden”
“Oh, dann hat der Linzer die Camping-Sachen jetzt?!”
“Nein, kann nicht sein, sie haben mir ja auch ein Teil gegeben, dass noch auf dem Kasten drauf war”
“Hm, wo sind dann die Matten jetzt in der Wohnung?”
“Können nicht in der Wohnung sein, da sind alle Möbel raus!”
“Oh, dann muss ich sie wohl schon in einen Karton gegeben haben und ins Lager gebracht haben”.
Wenn man eine Lebensstruktur (aka “Wohnung”) so radikal ändert (durch Leermachen und verkaufen) – dann kommt das Hirn nicht ganz mit. Es gibt die ganzen Orte nicht mehr, an denen man bestimmte Gegenstände aufbewahrt hatte.
Meine beiden Mitarbeiter haben wir geholfen eine letzte Tour durch die leergeräumte Wohnung zu machen.
Fazit
Je mehr der Verkauf der Wohnung in meinem Kopf zu einer Realität wird, umso mehr komme ich drauf, dass der Zeitpunkt der richtige ist. Simmering im Allgemeinen und diese Wohnung im Speziellen haben viele Probleme. Einige davon habe ich im Tour-Video erwähnt: Parkplätze, Unbrauchbarer Keller, kein Lift. Einige andere will ich nicht ansprechen.
Gut für mich ist, dass diese Probleme jetzt auch eine neue Besitzerin haben. So kann ich meinen Fokus nun zu neuen Horizonten richten, nachdem das Kapitel “Simmering” für mich nun endgültig geschlossen ist.