Mein fünfter Auftrag für Klein&Kunst war “Mozart in Paradise” von Peter Danzinger.
Als ich das Theater in der Drachengasse betrat, beschlich mich sogleich das Gefühl, dass es sich wohl um eine sehr intime Vorstellung handeln würde. 40 Sitzplätze waren um 8 Bistro-Tische gruppiert und boten alle gute Sicht auf die Bühne, wo Mozart in Paradise gespielt wurde.
Angesichts der relativen Monopolstellung, die Mozart auf dem Kulturmarkt inne habe, und der damit verbundenen Auswüchse kann man sich gut vorstellen, wie “Wolferl” im Grabe rotiert. Er tritt aus dichten Nebelschwaden hervor, die die Bühne überfluten und klagt dem Publikum sein Leid. Ein Cello und ein Apple Powerbook mit elektronischem Keyboard liefern den nötigen Soundtrack für die geistreiche Erscheinung, die nicht ohne ein gewisses Gruseln verläuft.
Musik ist die heimtückischste Kunstgattung, weil man beispielsweise entscheiden kann, ein Buch nicht zu lesen, aber der Musik könne man eben nicht entkommen. So beschwert sich Mozarts Geist, sehr gut von Helmut Berger in Szene gesetzt, dass alles immer und unentwegt nur Mozart sei. Nicht nur würde die richtige Mozart-Melodie eine Margarine-Werbung untermalen, es würden ihm sogar Musikstücke oder Inspirationen für solche zugeschrieben, mit denen aber schon gar nichts am Hut hätte.
Da hilft nur die “Bach Schallmauer”, die einem Schutzschild gleich das Übermaß an Mozart fernhalten würde. Aber diese verliert leider ständig an Kraft…
Der Autor hat auch einige angebliche Fragmente aus Mozarts Kindheit im Programm versteckt, die dem Laien durchaus als “authentisch Mozart” vorkommen. Es klingt ja durchaus glaubwürdig, dass der junge Wolfgang Amadeus Gerüche als Tonfolgen wahrgenommen haben soll, aber erst im Gespräch nach der Vorführung entlarvte er mir gegenüber diese Behauptung als aus den Fingern gesogen.
Tatsächlich gehen wir fast jedem Marketing-Schmäh auf den Leim, wenn er das Prädikat “Mozart” tragen würde, denn mit Mozart ist nicht zu spaßen! Es wäre ein schwerer Schlag für die Kultur- und die Tourismus-Industrie, würde Mozart eines Tages als fiktive Figur entlarvt.
Zwischendurch gibt es amüsante Seitenhiebe auf Musik-Vermarktung und politische Veranstaltungen, bei denen fehlende Inhalte einfach durch laute Musik ersetzt werden. Beim Stürmen von Hitparaden ginge es ja gar nicht um Können, denn just das Fehlen von Talent sei das größte Kapital für einen aufstrebenden jungen Musiker, weil der Musikmarkt würde auf Wiedererkennung setzen und Originalität mit schriller Inszenierung vortäuschen.
Das Stück trieft vor philosophischer Betrachtung und beleuchtet durch die Augen des gepeinigten Geistes von Mozart so gut wie jeden Aspekt der Musik. Intensives Mitdenken ist hier ein absolutes Muss, der Geist des Zuhörers wird durchgehend 70 Minuten lang stark gefordert. Wer es wagt zwischendrin zu entschlummern, der wird alsbald durch eine Stelle lauter Mozart-Kakophonie aus dem Sekundenschlaf gerissen.
Kurz gesagt, bietet dieses Stück besonders anspruchsvolle Unterhaltung und enttäuscht all jene, die sich ein Mozart-Konzert oder unkompliziertes Mozart-Kabarett erwarten. Wer aber auch sein Hirn mit zur Vorstellung bringt, der findet hier ein Übermaß an Denkanstößen und provokanten Thesen verpackt. Wir gratulieren Peter Danzinger für sein in vielerlei Hinsicht ungewöhnliches Werk und die exzellente Inszenierung.
Oliver Drobnik für Klein&Kunst Onlein.