Autofreie Überlegungen

Das amerikanische Öl ist schon über 97 Dollar, das europäische Nordseeöl Brent über 93. Der Markt sieht die 100 Dollar Marke als psychologisch wichtigen Wert, auf den der Ölpreis unaufhaltsam zusteuern wird, zuletzt unterstützt durch diverse Kriesen in ölproduzierenden Ländern. Die OMV sah sich heute wieder einmal gezwungen, ihre Produkte zu verteuern. Der Öl-Preis hat sich in 4 Jahren verdreifacht, die Benzinpreise sind hingegen im gleichen Zeitraum nur relativ moderat gestiegen, aber das kommt sicher noch. Ich sehe die nächste psychologische Marke bei 126 Dollar pro Barrel, denn ab dieser Schwelle ist Öl teurer als Coca Cola.

Autofreie Überlegungen

In der vergangen Woche schaute ich mir den Film von Al Gore an (“An Inconvenient Truth”), welches den Klima-Vortrag des Beinahe-Präsidenten in einen anschaulichen Film verpackte. Es heißt immer wieder, die Wissenschafter wären sich nicht einig, ob der Mensch tatsächlich zur Klimaerwärmung beitragen würde. Al Gore erzählte aber, dass von allen ernsthaften wissenschaftlichen Publikationen der letzten Zeit kein einziger Wissenschafter diesen Zweifel hegen würde. Nur von den populärwissenschaftlichen Schriften hegte mehr als die Hälfte Zweifel. Anders gesagt: die Wissenschaft ist sich sicher, aber die Bevölkerung der entwickelten Länder läßt sich, vermutlich von der Erdöl-Lobby, immer noch FUD impfen.

FUD ist eine Marketing-Strategie und steht für Fear (Angst), Uncertainty (Unsicherheit), Doubt (Zweifel). Wenn die Vorzüge des eigenen Produktes nicht ausreichen, dann muß man die Alternativen diskreditieren, sie für nicht marktreif erklären oder ihre höheren Kosten herausstreichen. Aktuelles Beispiel sind die Proteste der Industrie gegen das neue CO²-Bonus/Malus-System in der NOVA. Sie fühlen sich dadurch benachteiligt, dass der Gesetzgeber KFZ mit mehr als 160 Gramm CO²-Ausstoß mit 25 Euro pro zusätzlichem Gramm verteuert. Die Protestierenden nehmen wieder einmal die Pendler und Familien her, die ja ach so arm sind. Klar, dass sich bei solchen Aussagen sich jeder Auto-Pendler ängstigt, auch wenn es nur neue Autos trifft und von denen nur die übermotorisierten.

Unsere Gesellschaft hat sich in wirtschaftlichen Aufschwung seit dem Ende des zweiten Weltkrieges dazu verführen lassen, mehr und mehr Autos anzuschaffen. Gemessen am verfügbaren Einkommen war Benzin vor 50 Jahren sogar viermal so teuer wie heute, erst seit etwa 1970 kostet es im Verhältnis so viel wie heute. Die Verlockung eines größeren Bewegungsradius, von Mobilität auf Abruf und seiner eigenen keimfreien Umgebung sorgt seit Jahrzehnten für gewaltige Zuwachszahlen bei neu angemeldeten KFZ.

Ich nehme mich da nicht aus. Noch in Klosterneuburg wohnend kaufte ich meinem Vater meinen ersten PKW ab. Das war jener türkis-farbene VW Polo ab, den meine Mutter bis zu ihrem Tod nutzte. Wer fern der Großstadt wohnt ist tatsächlich auf ein Auto angewiesen. Es sei denn man wohnt im Burgenland und schreibt ein 160-seitiges Buch über seine autofreie Zeit, so wie Dorothea Kocsis. Allerdings zog ich vor 10 Jahren nach Wien und kaufte mir eine Jahreskarte für die U-Bahn. Als mein Polo weniger wert war, als die Reparatur eines Schadens gekostet hätte, kaufte ich mir einen neuen VW Golf und mietete einen Parkplatz an, auf dem mein Gefährt direkt neben meinem Wohnhaus auf gelegentliche Benutzung harrte. Menschen geben ihre Gewohnheiten nur schwer auf, ich sah mich bisher nicht dazu veranlaßt zu fragen, ob sich ein eigenes Auto für mich überhaupt rentieren würde.

Zur Arbeit im 22. Bezirk von Wien fuhr ich noch mit dem Auto, aber je mehr im Zentrum meine Arbeitsplätze gelegen waren, umso seltener griff ich zum Zündschlüssel. Seit ich im ersten Bezirk arbeite, nutzte ich mein Geführt nur mehr für gelegentliche Trips in die Shopping City Süd. Mein Beitrag zur CO²-Produktion ist damit praktisch zu vernachlässigen, jedoch wenn es um Geldvernichtung geht, dann schaut die Sache anders aus.

Es hilft beim Nachdenken immer, wenn man genaue Zahlen vor sich hat. So zapfte ich mein Microsoft Money an und holte mir die Fakten für die letzten 12 Monate

Monatliche PKW-Kosten

195 EUR … Teil-Kasko-Versicherung
77 EUR … Parkplatz
50 EUR … Diesel-Kraftstoff
30 EUR … Parkgebühren und Strafen
  6 EUR … Autobahnvignette (anteilig)

358 EUR für den Hugo (ohne Wartungskosten und Wertminderung)

Um mehr als 4300 EUR habe ich rund 7000 Kilometer zurückgelegt. Das sind 61 Cent pro Kilometer und die Wertminderung und Wartungskosten sind da noch nicht einmal mitgerechnet! Nimmt man diese Kilometerleistung auf 8 Jahre, dann ergibt sich eine Wertminderung von 40 Cent pro Kilometer. Bist Du gelähmt Schweindi! Mehr als ein Euro Kosten pro Kilometer!

Noch erschreckender ist das “Big Picture”. Ich habe laut meiner Buchhaltung in den letzten 10 Jahren soviel Geld für das Auto ausgegeben, wie mich seine Anschaffung gekostet hat. 22500 EUR Kaufpreis versus 23600 EUR Ausgaben. Die wahren Autokosten sind demnach das Doppelte des Anschaffungspreises. 50.000 EUR, die ich jetzt mehr auf meinem Depot haben könnte. Mit Zinsen gerechnet habe ich eine Runde Million Schilling verheizt.

Das ist nicht mehr Luxus, das ist gelinde gesagt Verschwendung. Ein Fünftel meines Gehaltes ging Monat für Monat in Rauch auf. Mein schwacher Trost ist wohl, dass ich durch meine geringe Nutzung und den effizienten Verbrauch nur sehr wenig CO² erzeugt habe.

Die Auto-Industrie lockt mit ihren Produkten, wir Konsumenten lassen uns zur Geldverschwendung verleiten. Alles gesellschaftlich voll akzeptiert. Wir sind frei, wir sind mobil, wir sind pleite.

Am Ende fiel mir der Entschluß sehr leicht, mein Auto an jemanden zu vermieten, der es wirklich braucht. So wird einerseits meine gepimpte goldene Kutsche von jemanden genutzt, der die vielen Features täglich genießen kann. Andererseits spare ich mir fortan sämtliche KFZ-Kosten. Als letzte Investition habe ich gestern noch ein iPod-Interface einbauen lassen, damit die neue Fahrerin der goldenen Kutsche ihren iPod anstecken kann. Gute Fahrt!

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