Der zwölfte Mann ist eine Frau

Als bekennender Antifußballfan wagte ich mich dennoch für Klein&Kunst Onlein am 10. Juni 2008 zur Premiere ins 3raum-anatomietheater.

der_12_mann

Ich gestehe, dass ich mit gewissen Vorbehalten zur Vorstellung von “Der zwölfte Mann ist eine Frau” fuhr, gehöre ich schließlich zum seltenen Exemplar Österreicher, der sich noch nie für Fußball interessierte. Wenn eine ganze Nation von einem Massen-Thema in Anspruch genommen wird, hielt ich es für zweifelhaft kreativ Kontra-Kabarett zu machen.

So ging ich mit einer ähnlichen Emotion hin, als wäre ich Fußball-Fan und hätte meine Frau den Einser von der Fernbedienung gefladert, damit ich nicht zum Fußball umschalten kann. Doch dies wandelte sich sogleich, als das Spiel angepfiffen wurde. In der ersten Szene diskutieren 3 Fußball-Mütter, welche Chancen ein junger Fußball wohl in Österreich hätte, mit dem Ergebnis, dass eine der drei besorgten Mamma-Fußbälle sogleich beschloss ihren Kleinsten auf Tennisball umzuschulen.

Von hier weg war mir klar, dass mir eine frische feminine Sicht der runden Dinge erwarten würde und ich begann das Schauspiel zu genießen. Der einzige Mann (Gerhard Walter) in der Riege war der stellvertretende Platzhalter für alle Männer, aber in keiner Sekunde kommt man dazu ihn zu bemitleiden, denn er ist groß, stark, fesch und besitzt eine ungewöhnliche Stimmvariabilität. Kurz gesagt, er steht problemlos und sympathisch seinen Mann – auch in jenen Szenen, in denen das fußballende Geschlecht eigentlich nicht so gut weg kommt. Mit passender Gummi-Mimik.

Aufgelockert werden die Sketche durch eine Vielzahl an eingestreuten Songs, zumeist bekannte Gassenhauer mit ans Thema angepasstem Text. Hier erwartete mich die zweite qualitative positive Überraschung. Die drei Hauptdarstellerinnen (Daniela Kong, Petra Kreuzer, Lilly Kugler) haben nicht nur tolle Singstimmen, sie schauen auch noch sehr gut dabei aus, wenn sie dazu tanzen. Als Hobby-Musiker fand mein Ohr praktisch keine Dissonanzen und mein Herz hüpfte entzückt wie junger Fußball als es vernahm wie die Damen passagenweise auch mehrstimmig und im Kanon trällerten. Zeitweise kam ich mir vor wie in einem Musical.

Im Kern befasst sich das Stück mit der Frage, was getan werden kann, dass sich die Frauen mehr für Fußball interessieren könnten. Vielleicht, wenn eine gestandene deutsche Trainerin die Regeln erklärt? Oder wenn die Frauen lernen, so zu schimpfen wie die Mannsbilder? Oder wenn eine Feng Shui Beraterin Kristallkugeln im Tor aufhängt, damit diese nicht mehr das Chi zerschneiden? Oder wenn sie der ekstatische Mann vor dem Fernseher verbal zum Orgasmus galoppiert? Köstliche Ideen, ich habe mich zerkugelt vor Lachen.

Der Regisseurin Marion Dimali gebührt ein großes Lob, sie hat einen unpopulären Stoff wunderbar bearbeitet und den gut ausgesuchten Cast zur Blüte gebracht. Angenehmer Nebeneffekt für mich: jetzt weiß sogar ich, wie die Abseitsregel funktioniert und kann mich ein wenig besser in die weibliche Psyche hineinleben: “Er steht im Tor und ich dahinter”

Weitere Vorstellungen: 12., 13., 14., 19., 20. und 21.6. im 3raum-anatomietheater, Beginn jeweils 20 Uhr

This entry was posted in Kunst/Kultur. Bookmark the permalink.