Gresten aus der Luft betrachtet

Es wird meinen treuen Lesern nicht entgangen sein, dass ich seit meinem Geburtstag (24. Juli) nicht mehr so viel schreibe und der Podcast vom letzten Wochenende fand auch nicht statt. Der Grund ist einfach, dass ich in der Sommerfrische bin und drei Wochen am Stück versuche möglichst auszuspannen.

Obendrein habe ich bis 18. August Zeit auf 12,5 Stunden Flugzeit zu kommen, damit ich meinen Pilotenschein verlängern kann. Alternativ könnte ich mir das Fliegen sparen, dann müßte ich aber mit einem Prüfer einen Überprüfungsflug machen und davor habe etwas Angst. Seit meiner Kindheit versuche ich immer Situationen aus dem Weg zu gehen, wo mir jemand sagen könnte, ich wäre nicht gut genug. Hier auch, daher sammle ich Flugstunden, auch wenn diese mit jeweils 120 Euro in der viersitzigen Piper Cherokee des Flugvereins Seitenstetten zu Buche schlagen.

Sehr hilfreich für’s Budget sind da immer wieder liebe Fluggäste, die sich von mir die Welt aus der Vogelperspektive zeigen lassen und die Flugkosten mittragen. Dabei ist es einerseits sehr beliebt das Elternhaus in der Luft zu umkreisen, während unten die Verwandten winken. Andererseits bietet sich das Alpenvorland mit nach süden höher werdenden Hügeln gerade zu an.

Bei dem letzten Rundflug dieser Art gelang mir mit einer guten Taschenkamera ein schöner und halbwegs scharfer Schnappschuss unseres Familienerbes in Gresten gelungen.

Gresten Gstettenhof Luftbild

Links in der Mitte sieht man den gelben U-förmigen Gutshof, der auf den niedlichen Namen “Gstettenhof” hört. Von der landwirtschaftlichen Nutzung vor langer Zeit zeugen heute noch die Reste der Viehställe und die Stellplätze für die Ackergäule im linken hinteren Trakt. Im auslaufenden 20. Jahrhundert diente der Gstettenhof nicht mehr der Landwirtschaft, sondern ausschliesslich als Sommerfrische fern des Wiener Großstadt-Trubels für mehrere Angehöriger der Familien Pasching und Drobnik sowie deren Gäste.

Die Lage mittem im Dorfzentrum, gegenüber von Kirche, Bank und Polizei, macht den Gstettenhof zu einem unübersehbaren Wahrzeichen des Ortes. Die grestener Bevölkerung erwirtschaftet ihr Einkommen zum guten Teil in den nahen Welser Werken, bei der Produktion von Stahlprofilen, ein Teil profitiert vom Tourismus durch die Lage an der alten Eisenstrasse, die auch von der historischen regionalen Verbundenheit mit der Eisenproduktion zeugt. Die meisten Einwohner müssen aber genauso wie in fast allen anderen kleineren Orten Österreichs mit dem Auto zur Arbeit pendeln.

Hier ist Gresten stark im Nachteil, denn durch die Lage in einem versteckten Tal ( Google Maps) sind die Fahrtwege zu den nächsten größeren Städten alle relativ lang. Die Ansiedlung der Welser Werke war hier ein absoluter Glücksfall für den Ort, durch den eine massive Abwanderung verhindert werden konnte, der Bevölkerungsstand pendelte sich auf knapp 2000 Einwohner ein. Dies dürfte mit ein Grund sein, weshalb Gresten trotz aller umliegender Natur bisher nicht Mitglied im Klimabündnis wurde. Die Gemeinde Gresten ist auf die Industrie und den Verkehr angewiesen und ist daher vermutlich wenig motiviert bei den “Klima-Spompanadeln” mitzumachen.

Links im Bild neben dem Gstettenhof sieht man auch eine schöne moderne Volks- und Hauptschule, die Kinder aus dem Umland zur Erziehung lockt. Diese kommen aber mit dem Autobus.

Apropos Klimaschutz: Der frühere Bahnhof war eine Endstation an einer schmalspurigen Bahntrasse, auf der es bis 1991 sogar Personenverkehr gab. Dieser wurde dann aber wegen des häßlichen Wortes “Unrentabilität” eingestellt. Interessanterweise wuchs der Güterverkehr (Holz und Stahlprodukte) aber weiter an, so dass 1998 auf normale Spurbreite umgebaut wurde, so dass die Güterwaggons nicht mehr auf schmalspurige Rollwagen verladen werden mussten. Technisch könnte die ÖBB also auch Personen von und nach Gresten schaffen, vielleicht wird sie dies auch eines Tages wieder tun, wir sind gespannt.

So ist Gresten ein schmucker Ort mit viel Appeal für Leute, die gesunde Luft, Wanderwege und Ruhe suchen. Für alle anderen ist es eine Sackgasse voller Individualisten, die für sich sein wollen. Aus dem Cockpit eines Flugzeuges aber merkt man von all diesen Dingen nichts, da liegt der Ort einfach friedlich da und bettelt förmlich darum fotografiert zu werden.

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