Nicht nur die internationalen Medien bezeichnen das Ergebnis unserer letzten Nationalratswahl als “Rechts-Ruck”. So, als wäre ein Ruck, gerade in dieser Richtung etwas besonders schlechtes. Als Normalbürger bekamen wir die meiste Zeit unseres Erwachsenendaseins eingebläut, dass “Links” und “Rechts” etwas Übles sind, die Norm wäre die Mitte.
Doch genau diese “bürgerliche Mitte”, als die sich die ÖVP bisher immer gesehen hat, hat der österreichische Bürger gestern abgewählt. Dies bringt uns als Staat in eine komplizierte Situation. Weil die alte SPÖ immer noch eine knappe Mehrheit von weniger als einem Drittel der Stimmen bekam und weil Österreich seinen Traditionen verhaftet ist, wird der schöne Alexander Faymann am 6. Oktober den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten.
Faymann hat bis zuletzt behauptet, im Wählerwillen erkannt zu haben, dass “Streiterei” abgewählt worden war. Und weil die ÖVP mehr gestritten hat, verlor dieser mehr. Eine praktische Sichtweise hat er sich da zulegt, sie entspricht völlig dem menschlichen Grundbedürfnis danach, dass jemand anderer an der Misere schuld ist. Er schien nicht zu begreifen, dass das harte Urteil der Österreicher auch ihm galt, selbst bei den Interviews betonte er immer wieder, jetzt auch das Vertrauen der Leute wiedergewinnen zu wollen, die ihm nicht gewählt hätten.
Es geht nicht um Streiterei, es geht nicht um drohenden Stillstand. Es geht um Rechts. Ich behaupte den Wählerwillen zu kennen. Ein Sechstel der Österreicher war der Meinung, dass sich die österreichische Politik etwas “rechter” verhalten sollte und entzog ihre Stimme den Großen zu Gunsten der beiden “freiheitlich orientierten” Parteien. Um nun zu wissen, was das für unser Land bedeuten kann, brauchen wir nur auf Wikipedia zum Thema Politisches Spektrum nachschlagen.
Ursprünglich entstand die Einteilung links-rechts nach der Art, wie die Abgeordneten in der französischen Nationalversammlung Platz nahmen. Auf der ehrenvolleren rechten Seite saßen die Adeligen, auf der linken Seite die Bürgerlichen. Nach diesem Muster organisierten sich später auch diverse Parlamente.
Die “einfacheren Leute” (links) zielten in ihrer Ideologie seit jeher auf die Nivellierung der Gesellschaftsschichten ab, keiner solle Vorteile haben. Im extremen Fall bedeutete dies gänzlichen staatlichen Zentralismus im Kommunismus. Die einzelne Person kann noch so gescheit sein, sie darf daraus keinen unfairen Vorteil ziehen. Am besten ist das Kapital in der Hand der zentralen Verwaltung, die es scheinbar gerecht zusammen mit der Arbeit verteilt.
Die “Elite” (rechts) hingegen fühlte sich zu Themen hingezogen, die zwangsläufig gesellschaftliche Unterschiede ergeben, ja sogar für ihr Funktionieren dringend benötigen. Sie wollen möglichst wenig Staat in allen Belangen, so dass fähigere Leute durch Wirtschaft und Gesellschaft “von selbst” nach oben schwimmen, wie Rahm auf der Milch. Im extremen Beispiel genügte historisch die Zugehörigkeit zur “Herrenrasse” um eine totalitäre Erhabenheit zu legitimieren und gleichzeitig grausame Morde an dazu wertlosen Menschen zu entschulden.
Hieraus entstand nun diese inhärente Angst vor dem linken und rechten Rand. Kommunismus ist gescheitert. Der national-sozialistische Rechtsextremismus unter Hitler konnte dank einer kriegerischen Intervention nie sein zerstörerisches Potential völlig ausschöpfen. Das Wort “Rand” sagt es ja schon aus, wenn man noch weiter geht, dann fällt man runter. Dadurch läßt sich auch erklären, warum die Parteien der Mitte seit langer Zeit die meisten Wähler anziehen konnten.
Doch jetzt nicht mehr. Diese “Hörigkeit des Mittelmaßes” taugt nicht mehr. Es entspricht schlicht und ergreifend der Realität, dass sich Menschen in ihren Fähigkeiten unterscheiden und diese daher in der wirtschaftlichen Praxis große Unterschiede provozieren. Ist das “Survival of the Fittest” in der modernen Zeit, in der die Streuung von Genen zur Belegung von Darwin nicht mehr ausreicht?
Tatsächlich ist es so, dass jeder Mensch für sich etwas besonderes sein will und daher – speziell in schwierigen Zeiten – drauf schaut, dass er selbst einmal nicht zu kurz kommt. Dazu gehört auch die unmittelbare Verwandtschaft, die eigene Familie, die Kinder. In unserer aktuellen Welt haben sich Menschen die simple Frage gestellt: “Welche politische Richtung wird jetzt als nächstes sicherstellen können, dass ich selbst möglichst gut über die Runden kommen kann. Klar, wenn es uns gut geht, dann können wir auf alle schauen, aber das tut es derzeit nicht.”
Der sozialistisch-demokratischen oder intellektuell-grünen Umverteilung traut man dies einfach nicht mehr zu, denn wo nichts ist, da kann man auch nichts umverteilen, ohne es vorher jemandem wieder wegzunehmen. “Wegnehmen ist immer Böse, warum soll ich mehr Steuern zahlen, dass ein nutzloser Arbeitsloser oder gar arbeitsloser Ausländer durchgefüttert werden kann?” scheint das Resentiment zu sein. Noch mehr ist das Zutrauen in die christlich-familiäre ÖVP gefallen, die durch den Versuch selbst mehr “rechts”-populär zu sein ihre Kern-Ideale verraten hat: denn vor Gott sind doch alle gleich, oder?
Eine offensichtliche Lösung für das Problem konnten aktuell nur H.C.Strache und Jörg Haider den 6,3 Millionen Wahlberechtigten anbieten.Trotz aller Unterscheidungsversuche nur in der Wahl der Parteifarbe und in der Schärfe ihrer Rhetorik unterscheiden. Die Antwort auf die Frage, wem man es wegnehmen soll, beantworten beide Herren unisono: 1.) den unnützen Ausländern 2.) der EU und 3.) den Leute, die nicht durch Leistung zu hohem Einkommen kamen, sondern durch ihr Parteibuch.
Ironischerweise ist es aber genau dieses Rezept, durch das sich der gelernte Österreich überhaupt nicht bedroht sieht. Es kann funktionieren. Weil man ist Inländer, die EU merkt man eh nicht und im Durchschnitt verdient man 1600 Euro netto. Das ist nicht besonders überprivilegiert. Gleichzeit haben Ausländer kein Wahlrecht, genausowenig wie die EU in unserem Land die Wahl beeinflussen kann und der Privilegienstadl wählt sowieso SPÖ.
Es war daher nicht einmal eine überragende strategische Leistung als FPÖ/BZÖ bei der Nationalratswahl 2008 zu den Gewinnern zu gehören. Strache konnte noch so viel Blödsinn reden, Haider noch so viel auf seine Erfahrungen aus Kärnten pochen, das war nicht der wahre Grund für den politischen Erdrutsch. Es war auch nicht die Streiterei von Alex und Willi und auch nicht der Stillstand. Nein, Österreich ist einfach ehrlicher geworden, man traut sich wieder aus der Mitte weg.
So schaut der österreichische Wählerwillen aus (unter Berücksichtigung der Nicht-Wähler)
- Ein Drittel (28%) sind für verstaubten oder intellektuellen Sozialismus. (21% SPÖ und 7% Grüne)
- Mehr als ein Sechstel (21%) findet die “rechte Antwort” als zukunftsweisend. (13% FPÖ, 8% BZÖ)
- Ein Sechstel (18%) sind für die konservative Mitte der ÖVP.
- Das übrige Drittel (33%) ist unzufrieden mit obigen Alternativen(4% Kleinparteien und 29% Nichtwähler)
Leider täuscht das offizielle Wahlergebnis darüber hinweg, dass auch eine erneute große Koalition, wie immer auch sc
hwierig diese zu bekommen ist, schlussendlich keine Mehrheit in der Bevölkerung hat. ÖVP und SPÖ zusammen vertreten nämlich nur etwa 39% der Österreicher. Einzig mit Hinzunahme der durchaus regierungsbereiten Grünen kämen wir auf Knapp die Hälfte, aber das hieße natürlich Macht teilen zu müssen und hierfür ist keine der großen Parteien zu haben. Jeder will möglichst viel des Kuchens für sich haben, ist ja auch nur menschlich.
Genauso wahrscheinlich wie eine neue rot/schwarze Koalition ist in meinen Augen auch ein Wiederaufleben der Zusammenarbeit von ÖVP mit den beiden blauen Nachfolgeparteien: Schwarz-Blau-Orange. Denn so unbeliebt diese Form der Partnerschaft auch gewesen sein mag, sie hat wesentlich mehr weitergebracht als jahrzehntelanges SPÖVP.
Trotz des herben Verlustes weiß eines ganz genau: so oder so kommen sie in die Regierung. Durch die zuvor getroffenen Aussagen hat sich Faymann in die Sackgasse manövriert, die ÖVP ist die einzige zur Verfügung stehende Braut, die sich naturgemäß zieren wird. Also entweder mit einer regierungsgeilen SPÖ am Gängelband, oder als mäßigende Komponente in einem rechten Bündnis wird die ÖVP weiter regieren.
Alles was Recht(s) ist …