Journalism with a captial J

Wieder aus “Was würde Google tun?” von Jeff Jarvis stammt der folgende Satz, bei dem eine Eigenheit der englischen Sprache falsch ins Deutsche übertragen wurde:

“Die Macher von Nachrichten glaubten, sie könnten sich den Veränderungen widersetzen, sie hielten sich sogar für immun, denn sie verstanden sich als Hüter eines heiligen Feuers: des Journalismus mit großem J.” (Seite 188, gebundene Ausgabe 2009)

Der unbedarfte Leser wundert sich, was wohl damit gemeint sein kann. Journalismus schreibt man doch, wie alle Hauptwörter, immer mit einem großen Anfangsbuchstaben. Soll das vielleicht ein Versuch von Hurmor sein um zu zeigen, dass man sich etwas auf ein Substantiv einbildet im Glauben es sei etwas besonderes, obwohl die Welt einen auslacht, weil die angeblich besondere Eigenschaft (des grossen Buchstabens) doch der Normalzustand ist? Warum würde uns der Autor zu solchen Gehirnverrenkungen zwingen wollen? Autsch!

Zum Verständnis dieser Wendung ist es nötig sich zu vergegenwärtigen, dass in der englischen Sprache alle Worte generell klein geschrieben werden, ausser am Satzanfang, bei Ländern, Eigennamen oder auch bei Gott. Dadurch hat man im Englischen ein Stilmittel zur Verfügung, welches im Deutschen fehlt, denn man kann Worten besonderes Gewicht verleihen, in dem man sie mit grossem Buchstaben beginnen läßt. So würde “god” einfach irgend ein Gott sein, während “God” den einen und allmächtige Himmelsvater bezeichnet.

Im obigen Satz meint der Autor, dass es sich um Journalismus in der unverfälschten Reinform handelt. Im Sinne von “der hohen Kunst des Journalismus”. Es fehlt hier der Sarkasmus, dem man sich im Deutschen hinzuinterpretiert. Dieses Stilmittel im subtilen Modus zu verwenden heisst im Englischen einfach nur den ersten Buchstaben groß zu schreiben. Im brutalen Modus geht man noch einen Schritt weiter und fügt “… with a capital X” an, wobei man X durch den tatsächlichen Anfangsbuchstaben ersetzt. Dies weist noch explizit darauf hin, wieviel Ehre der Autor diesem Wort zugestehen möchte.

Eine wörtliche Übersetzung verwässert bzw. eliminiert diese Feinheit. Ich hätte den Beispielsatz so geschrieben:

“Die Macher von Nachrichten glaubten, sie könnten sich den Veränderungen widersetzen, sie hielten sich sogar für immun, denn sie verstanden sich als Hüter eines heiligen Feuers: des Journalismus in der Reinform.”

Wenigstens hat die Übersetzerin Heike Holtsch nicht auf Google Translate zurückgegriffen, denn dann hätten wir als Ergebnis “Journalismus mit einem Grundkapital J” erhalten.

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