Kirche am Abgrund

Gerade in letzter Zeit scheint der Damm gebrochen, zumindest wenn man den Medien glaubt, dann melden sich in letzter Zeit hunderte Opfer von sexuellen Übergriffen bei den Behörden. Die Kirchenbehörden und -führer straucheln und bemühen sich ihre Reformwilligkeit zu unterstreichen. Autoritäten wie Kardinal Schönborn meint es zwar lieb, aber der mündige Laie kann sich Gelächter kaum verkneifen, wenn man seine jüngsten Äußerungen vernimmt.

Schönborn spricht davon dass die Wahrheit zwar schmerzt, aber ihre Offenbarung die Kirche glaubwürdiger machen wird. Und dann noch, dass die Kirche nach diesem aktuelle Läuterungsprozess gestärkt in die Zukunft gehen wird. Das kommt mir vor wie beim Zahnarzt, der einem sagt “ich muss jetzt ein bisserl bohren, aber dafür können wir den Zahn retten”. Wenn da nicht die angekündigten oder vorhandenen Schmerzen wären, dann würde man sofort loslachen.

For ziemlich genau einem Jahr habe ich schon darüber philosophiert, ob die römisch-katholische Variante der christlichen Religion überhaupt erneuert werden könne. Das erste Zölibatsgesetz gab es schon 306 a.D, wobei dort allerdings die sexuelle Enthaltsamkeit festgelegt wurde. 1022 a.D. wurde dann auch die Ehe verboten, hauptsächlich, damit die Ausrutscher-Kinder von Pfarrern nicht mehr deren umfangreiche Besitztümer erben durften. Das war nämlich Kaiser Heinrich II ein Dorn im Auge gewesen, so dass er den damaligen Papst Benedikt VIII erfolgreich dazu motivieren konnte. Vorgeschobene Begründung war “kultische Reinheit”.

In dem Maße in dem sich unsere technischen Kommunikationsmöglichkeiten verbessern lassen wir als Gesellschaft immer seltener das Argument gelten, dass es ja immer schon so war. Erstens ist es nicht “immer”, sondern nur 2000 Jahre, wenn man der Vermutung nähertritt, dass die Sexlosigkeit bis zur Apostolischen Zeit zurückreichen könnte. Zweitens sind die meisten anderen “immerwährenden” Erkenntnisse auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Die Erde war immer schon flach. Die Sonne hat sich immer schon um die Erde gedreht.

Auch nicht neu ist, dass es immer wieder Kräfte gibt, die “altbewährtes” reformieren wollen. Da will jemand die Bibel in seiner eigenen Sprache lesen oder hat etwas gegen die gängige Praxis der Heiligenverehrung? Da hat man kurzerhand – obwohl bedroht mit geistlicher und weltlicher Verfolgung – eine neue Religion begründet.

Die moderne Form des Widerstandes ist aber nicht mehr sich in Sekten zu spalten aus denen dann später Weltreligionen werden. Die meisten Kirchenaustreter folgen ihrem eigenen Glauben und Gewissen. Diejenigen, die noch auf eine Rettung des röm-kath Systems hoffen, tuen dies entweder stillschweigend weiter auf ihrem Kirchenstuhl sitzend, oder sie schliessen sich einer modernen weltlichen Organisation an, welche das Ziel verfolgen gemeinsam auf Reformen zu drängen.

Da gibt es einerseits den Verein Priester ohne Amt, welcher Priester sammelt, die ihr Amt verloren haben, weil sie heiraten wollten. Eine Untersparte gilt aber auch den Priesterinnen, welchen sich der Papst immer noch verwehrt. Letzte auf deren Homepage ersichtliche Aktion ist ein Brief mit der Bitte um “schleunigst einen sachlichen Dialog”. Passiert ist nichts.

Andererseits gibt es seit Jahren die Laieninitiative, welche konkrete Notstände wie Priesterknappheit als Hebelpunkt für Veränderungen sieht. Nicht nur verheiratete Priester und Priesterinnen soll es geben, auch Laien könnten mit weiterreichenden Befugnissen ausgestattet den Priestermangel erleichtern. Hier ist recht interessant, dass dort erst vor wenigen Tagen beschlossen wurde ernst zu machen. Die 12.000 Unterstützer der Initiative wurden lange genug ignoriert, heisst es, und sie würden zu Pfingsten (22. März) der Öffentlichkeit vorstellen, wie der organisierte Widerstand nun aussehen wird.

Zu Pfingsten, dem Fest des Heiligen Geistes, wird eine Aktion mit dem Ziel starten, dass die überfällige Kirchenreform vom Kirchenvolk selbst in die Hand genommen wird. Es wird der Aufruf ergehen, sich unter Wahrung der Zugehörigkeit und der Treue zur Kirche in aller Offenheit von jenen Vorschriften und Anordnungen zu lösen, deren Befolgung im Widerspruch zur Verantwortung aus dem christlichen Gewissen steht. Ein loyaler und breiter Widerstand soll organisiert werden, um schweren und dauerhaften Schaden von der Glaubensgemeinschaft abzuwenden.

Zur gleichen Zeit wie dieser Beschluss war auch die österreichische Bischofskonferenz zu Ende gegangen, Hauptthema war wie man in Zukunft sexuellen Mißbrauch verhindern könnte. Das Problem ist allerdings, dass dies heisst den Bock zum Gärtner zu machen. Selbst-Justiz funktioniert einfach nicht. Obendrein sagt auch schon der titel “sexueller Mißbrauch” etwas aus, nämlich dass auch “sexuallen GEbrauch” gibt. Wer zieht jetzt da die Grenze zwischen Ge- und Miß-brauch? Die Betroffenen selbst? Na lustig.

Es ist leicht zu sagen, dass jegliche sexuelle Regung dem Priestertum entgegensteht. Oder vielleicht nur BEMERKBARE sexuelle Regungen. Es wurde vielfach bewiesen, dass es nicht möglich ist, instinktive Regungen zur Gänze zu unterdrücken. Zumindest solange Priester für die Weihe ihre Hoden behalten dürfen. Mich wundert, warum noch niemand auf den genialen Einfall kam, die Amputation dieser unnötigen Hormon- und Samenproduzenten als Grundbedingung für die Weihe zu machen. Das wäre doch die optimale Lösung!

Neben den seelischen Bedürfnissen, die der Glaube uns zu stillen vermag, haben wir natürlich gewissen körperliche Bedürfnisse. Wir wissen aus der Psychologie, dass diese sublimiert werden können. Sublimierung, zu deutsch Umwandlung, ist nach Siegmund Freund ein “Abwehrmechansimus des Ichs”, wenn Triebe keine Erfüllung finden. Normalerweise geht das auf eine höhere Ebene, wie gute Tagen oder Kultur. Ich vermute aber, dass oft auch lateral sublimiert wird. Wenn man zum Beispiel keine sexuelle Erfüllung erfahren darf, dann wird dies oft unbewusst über die Nahrungsaufnahme kompensiert.

Bulimische Priester kenne ich keine, kugelrund aber viele. Ich behaupte: das Übergewicht von Priestern ist direkt proportional zur Menge an unerfüllter sexueller Gelüste. Gleiches gilt für Lungenkrebs. Wenn ein Priester raucht ist das auch nur eine Form von orale Befriedigung. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass die meisten zölibateren Priester still vor sich hintickende Bomben sind.

Weil vor 1700 Jahren diese Zusammenhänge noch nicht bekannt waren haben wir jetzt den Salat, dass dieses alte Kirchengesetz an der Realität des Menschen vorbeigeht. Die ganzen tollen Maßnahmen, die sich Bischofkonferenzen ausdenken haben nur ein einziges Ergebnis: dass allen Priestern noch schmerzhafter ihre eigene Leiblichkeit vor Augen geführt wird und sie sich noch schlechter fühlen, wenn sie sich bei einer sexuellen Regung ertappen. Vielleicht sollte man die Selbstgeisselung wieder einführen, bei der Flagellaten durch die Strassen ziehen, während sie sich selbst auf den Rücken schnalzen, das würde genauso viel bringen.

Ich will keinen Namen nennen, aber ich kenne einen Pfarrer, der übergewichtig ist, raucht, ständig Kinder mit seiner Digitalkamera fotografiert und Frauen beklagen sich darüber, dass er ihnen lüstern in den Ausschnitt schaut. Im Gespräch behauptet er aber standfest, dass er sich das Zölibat so ausgesucht hat und damit zufrieden ist. Nun, solange er seine Finger bei sich behält wird ihn niemand einer Straftat bezichtigen können. Aber ist so etwas nicht bedenklich? Die fette Spitze eines Sexberges?

Erzkatholische Personen begreifen Leid als nötige Zutat für die Läuterung der Seele. Aber es muss doch einen Punkt geben,  an dem sich Menschen nicht mehr länger einer Diktatur unterwerfen werden, welche an den menschlichen Bedürfnissen vorbeigeht? Die Wahrheit, die jüngst oftmals beschworen wird, ist nicht, dass es hunderte sexuell motivierte Ausrutscher gab und sicher weiterhin gibt. Die wahre Wahrheit ist, dass es nicht im Sinne Gottes sein kann, dass sich die Gläubigen über statische Regeln innerlich zerfleischen.

Mir fehlt der Glaube, dass sich dieses System selbst retten kann. Aber ich würde mich von innerstem Herzen heraus wahnsinnig freuen, wenn es dennoch gelingen könnte. Die Kirche muss sich von ihrer weltlich orientierten Struktur mit Hierarchie, Macht und Regeln verabschieden wenn sie überleben will.

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