Wien Energie sandte mir Anfang Februar einen Brief mit einem neuen Energie-Liefervertrag. Erst dachte ich mir “Hä? Ich bekomme doch schon Strom” und so rief ich den Kundendienst an.
Da wurde mir erklärt, dass mein bisheriger OPTIMA Tarif doch nicht so optimal wäre. Damit zahlte ich auf der letzten Stromrechnung bis 30.9.2015 6,51 Cent/kWh und danach 6,1845 Cent/kWh. Der neue Tarif, angeboten als Kombi von Strom und Gas, wäre dann “ge-cappt” bei 5,49, daher auch der Name “Strom OPTIMA Float Cap”.
Da würde sich der Strom-Preis mit dem Markt bewegen und der Strom ist aktuell besonders günstig, weil das Erdöl so billig wäre. Im Februar hatte der Preis 4,1723 Cent pro kWh betragen.
Ein Drittel weniger pro Jahr zu bezahlen klang für mich schon sehr verlockend. Und so füllte ich den neuen Vertrag aus, ohne ihn wirklich genau zu studieren.
Meine ganze Aufmerksamkeit galt dem ungewöhnlichen Passus “Float-Cap-Tarife sind nur dann gültig, wenn hier eine E-Mail-Adresse angegeben wird!”. Das hat mich irgendwie irritiert, weil, was hat Wien Energie mit meiner Adresse vor? Weiter unten stimmt man zu, dass Name, Anschrift, Verbrauchs-, Vertrags- und Verrechnungsdaten nicht nur Marketingzwecke von Wien Energie verwendet werden, sondern auch für deren Partner: EVN, Energie Burgenland, Naturkraft und EnergieAllianz.
Während ich noch darüber den Kopf schüttelte, brachte ich das ausgefüllte Formular zur Post.
Verbraucherrechte Neu
Ganz was anderes, ich rief einen Makler aufgrund einer Anzeige auf immobilienscout24.at an um einen Besichtigungstermin für eine Wohnung zu vereinbaren. Mir wurde gesagt, ich solle über die Webseite ein schriftliche Anfrage stellen, weil ich erst eine Widerrufsbelehrung bekommen müsse. Ohne diese würde kein Makler einen Besichtigungstermin ausmachen.
Als ich dann mein Erstaunen kund tat und sagte, dass er der erste wäre, der so was von mir verlangen würde, belehrte mich der Makler am Telefon:
“Tut mir leid, das ist wegen der EU. Wenn der andere Makler das nicht gemacht hat, dann weiss er offenbar mehr nicht und dann ist man schlecht beraten. Wir bekämpfen das sehr.”
Ich tat dies und bekam postwendend einen Link zu klicken. Worauf man sogleich von einer Unmenge an Text erschlagen wird. Auf dem Screenshot sieht man etwa ein Neuntel des gesamten Textes.
Tatsächlich ist es so, dass bereits seit 13. Juni 2014 diese “neue Gesetzeslage” gilt. Insbesondere die Verbraucherrechte für Verträge, die ausserhalb eines Geschäfts – also zB. per Internet oder Telefon – geschlossen wurden hier klargestellt.
Die WKO hat eine tolle Informationsseite darüber, insbesondere die genaue Definition eines Außergeschäftsraumvertrages:
Ein Außergeschäftsraumvertrag im Sinne des § 3 Z 1 FAGG umfasst jeden Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher,
- der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,
- für den der Verbraucher unter den in lit. a genannten Umständen ein Angebot gemacht hat,
- der in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, unmittelbar nachdem der Verbraucher an einem anderen Ort als den Geschäftsräumen des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers oder dessen Beauftragten und des Verbrauchers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder
- der auf einem Ausflug geschlossen wird, der von einem Unternehmer oder von dessen Beauftragten in der Absicht oder mit dem Ergebnis organisiert wurde, dass der Unternehmer für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen beim Verbraucher wirbt oder werben lässt und entsprechende Verträge mit dem Verbraucher abschließt.
Telefon und Internet zählen wohl zu den Fernkommunikationsmitteln (Punkt 3), bei Briefen bin ich mir nicht sicher… wenngleich diese das traditionellste Mittel in die Ferne zu kommunizieren darstellen.
Rücktrittsrecht
Als Konsument kann man binnen 14 Tagen von solchen fern-abgesetzten Verträgen zurücktreten und braucht auch keine Gründe zu nennen. International nennt man so eine Frist “Cool-Down-Period” (“Abkühlungsphase) und wir haben diese eben 2014 eingeführt.
Der Knackpunkt ist: das Unternehmen mit dem ich so Geschäfte mache muss ich über dieses Recht in Kenntnis setzen. Tut es das nicht, dann verlängert sich die Möglichkeit zum Rücktritt auf 12 Monate!
Wieder zurück zu Wien Energie, haben diese mich belehrt?
Erst dachte ich, sie hätten das nicht, aber dann habe ich den Energieliefervertrag umgedreht: Oh, da ist ja was!
Dann wieder das Kleingedruckte gelesen und tatsächlich steht da:
Die Gültigkeit dieses Angebots und der angeführten Preise ist mit 29. Februar 2016 beschränkt. Mit Unterschrift wird die Kenntnisnahme der “Belehrung gemäß § 11 FAGG sowie § 3 KSchG bestätigt und um Lieferung vor Ablauf der Rücktrittsfrist gemäß § 10 FAGG ersucht”
Hm, da habe ich was unterschrieben ohne es gelesen bzw. verstanden zu haben. Insbesondere interessant ist der zweite Teil.
Lieferung vor Ende der Rücktrittsfrist
Der Dienstleister (Wien Energie, wie auch Makler) kann natürlich 2 Wochen warten, bis die Rücktrittsfrist vorüber ist. Will der Konsument die Leistung früher in Anspruch nehmen, dann muss er sein “ausdrückliches Verlangen” auf einem dauerhaften Datenträger (nach § 10 FAGG) dokumentieren.
Das ist vermutlich der Hintergrund, weshalb der Makler meinte, ich bekäme keine Besichtigungstermine von ernsthaften Maklern, wenn man diese Formalitäten nicht erledigt. Einerseits könnte man dann 12 Monate vom Mietvertrag zurücktreten, wenn ich nicht ordnungsgemäß belehrt wurde. Andererseits – selbst wenn ich belehrt wurde – könnte ich innerhalb der Rücktrittsfrist vielleicht ihn irgendwie um seine Provision schrauben.
Ich habe das nicht näher recherchiert, aber vermutlich ist die Angst des Maklers, dass er mir die Wohnung zeigt, ich mache einen Mietvertrag binnen 2 Wochen und erkläre dann meinen Rücktritt von der Vermittlung. Oder so was in der Art. Klar ist aber, dass der Makler Angst um seine Provision hat.
Jetzt sind Makler schon von Haus aus etwa gleich vertrauenswürdig wie Gebrauchtwagenhändler. Da hilft es ihrem Image nicht wirklich einen mit mehrseitigen Gesetzestexten zu erschlagen.
Der Rücktrittsversuch
Ich habe mir leider nicht gemerkt, an welchem Tag das genau war, ich denke aber, in der zweiten Februarhälfte. Ich hatte den Schrieb recht lange herumliegen gehabt und als ich dann sah, dass das Angebot nur bis 29. Februar gültig war, wurde ich fernmündlich tätig.
Ich wusste zunächst nicht, dass ich 14 Tage Rücktrittsrecht hatte, so ließ ich mich in der Facebook Gruppe ZOE Club Austria über Wien Energie aus. Die einjährige Vertragsbindung, die ich mir da eingebrockt hatte, war aus mehreren Gründen unangenehm:
- ich bekomme in 4 Monaten mein Elektro-Auto und dann bekomme ich die doppelte staatliche Förderung von 4000 Euro, wenn ich einen Vertrag über Ökostrom habe. Ich hätte nicht auf einen solchen wechseln können.
- ich weiss nicht, ob ich noch ein Jahr lang an der selben Adresse wohne
- ich habe ein Angebot eines alternativen Stromanbieters Care-Energy mit 3,6 Cent pro kWH, ohne Vertragsbindung und ohne Grundgebühr.
Die Belehrung der Wien Energie sagte “Der Rücktritt ist an keine bestimmte Form gebunden”. Daher sandte ich folgende E-Mail:
Knapp 24 Stunden später kam die erfreuliche Antwort:
Es freut mich sehr, dass mein Rücktritt hier so viel einfacher akzeptiert worden war, als ich es schon mit anderen Firmen erlebt hatte. Somit ist nun der Weg frei zu einem wirklich günstigen Stromanbieter ohne Vertragsbindung zu wechseln.
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