Sunsetting

Erste Aufgabe heute in der Früh war es – schweren Herzens – den Weinberger mit dem Abtransport meines Flügels zu beauftragen. Trotz aller Werbe-Aktivitäten auf willhaben, eBay, der Bitte es weiterzusagen, Werbung im Weinberger Kundenmagazin und aufgehängten Flugblättern meldeten sich nur 2 Interessenten. Einer aus den Bekanntenkreis, der ihn sich ob Hausbaues nicht leisten kann. Eine Klavier-Lehrerin, bei der es an einer zu engen Treppe scheitert. Es ist zum Mäuse-Melken.

Sunsetting Flügel

Ich hatte ja eigentlich nie erwartet, von den über 13.000 Euro die der Flügel gekostet hat, jemals wieder etwas zu sehen. So etwas nennt man “sunk costs”. Wenn der Flügel jetzt beim Weinberger im Geschäft steht, dann ist die Chance ungleich höher, dass sich ein Käufer dafür findet. Er meinte, dass aufgrund des guten Zustandes und billigen Preises bis zum Jahresende sich was tuen sollte. Haltet mir die Daumen.

Mit diesem Abtransport rückt das Ende der Ära “Drobnik in Weistrach” näher. Meine Ex-Frau hatte schon das Haus fertig gehabt, in das ich mit ihr gezogen war. Der Flügel war für mich das Symbol dafür gewesen, dass ich dem Haus auch noch etwas Wertvolles beizutragen hatte. Ähnlich wie meine Infrarot-Kabine, welche mir mein Ex-Schwiegervater erfolgreich übersiedelte.

Am 22. Mai 2014 um halb 8 Uhr früh kommt die Transportfirma und holt das letzte Ding aus meinem Besitz aus dem Haus meiner Ex-Frau ab. In der Softwareentwicklung nennt man “sunsetting” den Vorgang wenn man veraltete oder redundante Software oder Prozesse auslaufen lässt und einstellt. So gesehen passt der Begriff auch hier: ich habe einen zweites Klavier in meiner Wiener Wohnung stehen.

Sunsetting mit Voralpenblick

Der Wunsch auf “real life sunsetting” überkam mich dann um halb Acht. Ich hatte einen Spaziergang hinter mir, bei dem ich vergeblich versucht hatte diverse nette Menschen telefonisch zu erreichen. Wenn ich spaziere habe ich gerne virtuelle Gesellschaft. Aber keiner ging ran oder antwortete auf meine Nachrichten. So blieb mir die Gesellschaft vorerst versagt.

Ich war gestern nach der Arbeit mit dem Motorrad in Steyr gewesen um “zum Trotz” ein Eis zu essen. Da war ich bei “Big Bang Burger” vorbeigekommen, aber ich wollte die Kalorienaufnahme ja nicht übertreiben, wo ich doch auf Diät bin. Das holte ich heute zu Mittag mit meinem Mitarbeiter nach. Übrigens, super lecker!

Aber zurück kommend vom Spaziergang erwog ich eine Steigerung der Ausfahrt. Quasi als Training für die längere Motorradfahrt am kommenden Freitag von Weistrach nach Wien. So packte ich ein paar Dinge zum Essen und ein Getränk in den Motorrad-Seiten-Koffer und fuhr Richtung Osten, suchend nach einem Ort von dem aus ich freien Blick nach Westen haben könnte, wo sich der Sonnenuntergang um 20:40 abspielen würde.

Ich entdeckte Schilder die mich zur Aussichtswarte “Voralpenblick” führten. Ein kurzer Beton-Turm mit Treppe mit ein paar Fahnen oben drauf. Die Holzbank zu dessen Fuß wäre sicher komfortabler gewesen als die Betonbank oben im Türmchen.

Ein Unterschied wie Tag und Nacht

Mit dem iPhone setzte ich an das obligatorische “Schaut wie gut es mir geht und was ihr alle versäumt”-Foto zu machen, doch wurde dabei unterbrochen. Wohlgemerkt, ich hatte eigentlich angenommen, dass niemand heute mehr mit mir würde kommunizieren wollen. Daher war ich etwas überrascht, als mich eine Freundin anrief, eine von jenen zuvor erfolglos angerufenen Leuten. Doch damit nicht genug. Zur gleichen Zeit schrieb mir eine andere Freundin im Facebook-Chat.

Erst noch einsamer Sonnenuntergang, dann plötzlich Kommunikation mit zwei Frauen gleichzeitig. Überforderung setzte sogleich ein.

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Witziger aber der totale Gegensatz zwischen den beiden Damen. Beide sind seit einigen Monaten Single. Beide sind “in real life” aktiv, gehen ihren Berufen nach, haben soziale Kontakte. Doch der grosse Unterschied ist wie beide ihren Zustand als Single wahrnehmen: Dame #1 sucht aktiv nach einem Partner, weil sie nicht alleine sein will. Sie wird aber ständig von Männer-Arschlöchern enttäuscht die entweder nur auf Sex aus sind, oder solchen die sogar verheiratet sind, sich aber voll cool als “naughty boy” bezeichnen. Dame #2 ist heilfroh, dass ihre langjährige Beziehung vorbei ist, macht viel Sport und geniesst ihre Freiheit in vollen Zügen, will sich auf keinen Fall alsbald “binden”. Kurz gesagt, sie beschreibt sich als glücklich und man glaubt ihr das ung’schaut.

Ich vermute dass ich Dame #1 ziemlich ähnlich bin. Ich tue mir oft schwer mit mir selbst alleine zu sein und finde mir dann geschäftiges Treiben um mich davon abzulenken, dass ich niemanden zum kuscheln habe. Ich versuche Strategien formen und Wege zu beschreiten die die Chance of eine Zufallsbekanntschaft steigern. Mir imponiert die Gelassenheit und Glücklichkeit die Frau #2 auszustrahlen scheint. Da dachte ich mir “wow, die hat es durchschaut wie es geht”, und “wäre das nicht toll, wenn ich mir bei der eine Scheibe abschneiden könnte”.

Die Botschaft

Bisher noch nicht erwähnt wurde Dame #3 von der ich zur gleichen Zeit eine Botschaft via einer Single-Börse erhielt. Fast so als wäre der Zeitpunkt um den Sonnenuntergang so ein kosmischer Nexus, der spontan 3 Frauen gleichzeitig motiviert hat, mit mir zu kommunizieren. Zufall? Oder will mir jemand damit was sagen? Vielleicht ist ja genau dies die Botschaft die das Universum hier für mich hat: kann ich es lernen mit mir selbst zufrieden zu sein? Lernen gar keine Partnerin zu brauchen? Denn paradoxerweise ist dies angeblich genau jener Zustand in dem der/die Richtige einem über den Weg laufen soll.

Nach beendeten Kommunikationen aß ich dann noch die mitgebrachten Dinge auf und stieß mit einem Eistee mit mir selbst darauf an, dass mich das Leben wieder einmal überrascht hatte. Dann setzte ich mich auf mein Bike und fuhr bei schwindendem Tageslicht zurück in mein Quartier.

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