Rallye across Austria

Als ich im April 2014 wieder Wiener wurde, hatte ich mein Motorrad mit Wiener Kennzeichen wieder angemeldet und nach Wien gefahren. In Wien selbst kam ich aber ganz gut ohne KFZ aus. So beschloss ich mit Ende der Saison das Bike zu verkaufen.

Das Motorrad hatte ich im April 2007 gekauft, weil ich mit meiner ehemaligen Schwieger-Familie mithalten wollte. Dort gab es zwei BMW Motorräder und so entschloss ich mich kurzerhand auch eines anzuschaffen. Dies schlug damals mit 8.190 Euro inklusive 20% USt. und 11% NOVA zu Buche.

Zurückblickend mußte ich leider erkennen, dass dies ein eitler Luxus war. In 6 Jahren kam ich auf heisse 5000 km Fahrleistung, denn die meiste Zeit verbrachte das Motorrad unter einer Plane im Carport meiner Ex-Frau.

Willhaben.at

Am 18.11.2014 gab ich mich dann endlich einen Ruck und inserierte auf Willhaben.at, um 7000 Euro. Einmal verlängerte ich das Inserat und mehrere Male verringerte ich meine Preisvorstellung bis ich bei 4000 Euro angekommen war. Das war für mich das untere Limit.

Es sollte beinahe 2 Monate dauern, bis der endgültige Käufer mich anrief. Er meinte, dass der das Bike quasi “ung’schaut” sofort kaufen würde. Ich hatte noch einen anderen Interessenten zum gleichen Preis, der es sich dann aber anders überlegt hatte und so vereinbarten wir einen Besichtigungstermin.

Der Käufer war nämlich aus der Salzburger Gegend und zufällig am 15. Jänner 2015 in Wien. Da sah er es und – wie kann es anders sein – gefiel es ihm auch. Per Handschlag besiegelten wir den Deal.

Formalität

Spontan wie ich bin, schlug ich dem Käufer vor das Bike zu überführen. Ich versprach mir davon eine abenteuerliche Fahrt quer durch Österreich mit der Aussicht auf diese Art und Weise ausreichend Zeit zu haben mich emotional von dem Gefährt zu verabschieden.

Für die tatsächliche Überstellung wartete ich bis nach meinem Urlaub um nichts zu riskieren. Obendrein sollte die Tageshöchsttemperatur schon so um die 10 Grad liegen damit der Trip nicht zu ärgsten Erfrierungen bei mir führte.

Der Montag nach meiner Rückkehr bot dann die passenden Umstände, 9 Grad Vorhersage, strahlender Sonnenschein, am Nachmittag. Um 11:33 fuhr ich aus Wien weg, 334 Kilometer vor mir und mehrschichtig thermisch isoliert.

Das erste Ärgernis war mir schon zwei Tage zuvor aufgefallen gewesen. Meine 50 Euro teure Abdeckplane war verschwunden. Vermutlich “widerrechtlich entfernt”, vulgo “gefladert”. Aber ich weigerte mich dies als schlechtes Omen zu deuten.

Die Strecke

Mein Vorhaben war, zur Sicherheit, alle 100 Kilometer bzw. stündlich eine angemessene Rast einzulegen. So folgte die erste Pause bei Kilometer 121 an der Raststation Kemmelbach.

Der gelbe Engel

Ich muss wohl in Gedanken gewesen sein, wenn man lange Zeit auf der Autobahn vor sich hindröhnt gerät man in so eine leichte Trance. Jedenfalls vergaß ich den Zündschlüssel im Schloss, als ich zum Mittagessen schritt.

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Als ich eine Stunde später zurückkehrte war dann die Batterie leer, aufgebraucht durch das Abblendlicht und die eingeschaltete Griffheizung. Versuche das Bike anzulaufen schlugen fehl und so rief ich die ÖAMTC Pannenhotline 120 an. Eine halbe Stunde später war der gelbe Engel vor Ort und gab mir Starthilfe. Dann wies er mich darauf hin, dass ich keine Vignette für 2015 geklebt hätte.

Ich war völlig verdutzt, da ich pflichtbewusst vor Antritt der Reise eine 10-Tages-Vignette gekauft und aufgeklebt hatte. Offenbar aber nicht fest genug, weil sie war verschwunden gewesen. Der ÖAMTC-Engel empfahl mir eine neue zu kaufen, was ich dann auch tat. Die 5 Euro taten auch nicht weiter weh.

Die ganze Aktion verzögerte mich um etwa eine Stunde. Aber ich presste weiter, denn so leicht gebe ich nicht auf!

Zweites Etappenziel

Das ende der zweiten Etappe feierte ich bei Kaffee und Topfengolatsche bei Kilometer 219, Raststation Voralpenkreuz bzw. dem dortigen “Wild Bean Cafe” in der Tankstelle.

Zweiter Stop

Meine besorge Freundin mahnte mich mehrfach zur Vorsicht. Ich betonte natürlich, dass ich eh vorsichtig sein würde, aber ich muss gestehen, dass mich ihre Sorge um mein Wohlergehen doch zusätzlich motivierte keine Risiken einzugehen. Motorradfahrer auf der Autobahn sind ja sowieso besonders gefährdet.

Bis ungefähr 16 Uhr waren die Umstände ideal. Die Sonne im Gesicht und noch keinerlei Kälteerscheinungen. Doch dann begann es kälter zu werden. Zum Sonnenuntergang um 17:22 hatte es nur mehr 5 Grad. Die 4 Grade Unterschied klingen nicht nach sehr viel, aber der Unterschied war sehr deutlich zu spüren.

Fahrt-Wind Chill

Der Grund hierfür liegt im Wind Chill. Gemäß Wind-Chill-Rechner der Bergrettung Voitsberg entsprechen 4 Grad bei 120 km/h einer gefühlten Temperatur von -13 Grad Celsius. 9 Grad bei gleicher Windgeschwindigkeit entsprechen -5 Grad Celsius.

Der chillende Effekt war, dass die behandschuten Finger trotz Griffheizung einzufrieren begannen. Ich musste im dritten Drittel zwei kurze Pausen zur Auftauung einlegen.

Die letzten 40 Kilometer der Fahrt wahren schon sehr hart. Ich musste die Zähne zusammen beissen um diese mental durchzustehen. Es war schnell finster, es war bitter kalt und ich kämpfte mit der Angst dass mir so kurz vor dem Ziel noch etwas zustoßen könnte.

Immer wieder musste ich mich zusammenreissen und mir selbst innerlich sagen, dass ich konzentriert und vorsichtig sein sollte und dass mir dann auch nichts passieren wird.

Apropos Vignette: bei der allerletzten Autobahn-Ausfahrt stand dann tatsächlich auch der Van der ASFINAG und kontrollierte die Pickerl. Glück gehabt!

Am Ziel

Um 18:13 schliesslich war der Spuck vorbei und ich parkte das Motorrad beim Arbeitsplatz des Käufers. Die Formalitäten waren dann nur mehr Formsache. Die Vorlage für den Kaufvertrag kam auch von der Website des ÖAMTC.

Verabschiedung am Ziel

Nach 7 Stunden “one the road” war ich regelrecht “hirntot” aber so froh und dankbar wie schon lange nicht, dass ich es geschafft hatte. Ich bedankte mich insgeheim bei allen meinen Schutzengeln und lieben Menschen die mir für diesen Tag die Daumen gedrückt hatten

Nach vollendeter Übergabe brachte mich mein Vertragspartner noch zum Salzburger Bahnhof, wo ich in der ersten Klasse des RailJets die Heimreise (2 Stunden 20 Minuten) antrat.

Für den letzten Weg vom Westbahnhof nach Hause nahm ich ein Taxi. Auf keinen Fall wollte ich riskieren – mit dem Kaufpreis für das Motorrad in der Tasche – ausgeraubt zu werden. So paranoid war ich am Ende. Schlichtweg am Ende meiner Nervenkräfte.

Epilog

Am nächsten Morgen, trotz schlechten Schlafes, waren die Nerven wieder ok. Nur mein Genick war extrem verspannt, fast so als ich dort einen Muskelkater habe. Ich kann mir das nur dadurch erklären, dass meine Nackenmuskulatur es nicht gewohnt war über viele Stunden hinweg meinen Kopf samt Helm gegen 120 km/h Wind zu stemmen.

Es war das erste und zugleich letzte Mal, dass ich mir solch eine Monster-Tour angetan habe. Meinen Motorradhelm werde ich nicht nur an den Nagel hängen, sondern gleich in die Mülltonne werfen. Nicht, weil ich nie wieder Motorrad fahren werde, sondern weil mein Duroplast-Helm seine sichere Lebensdauer schon bei weitem überschritten hatte.

Ich kann es immer noch nicht glauben, dass die ganze Aktion – trotz einiger kleinerer Hürden – so reibungslos über die Bühne ging. Die letzte Hürde betraf die Abmeldung: ich hatte zwar Kennzeichen und Zulassungsschein mitgenommen, aber mein Versicherungsmann erklärte mir, dass man Typenschein und Zulassungsduplikat auch für die Abmeldung benötigt. Verdammt!

Deswegen ist nunmehr ein eingeschriebener Brief auf dem Weg zum Käufer, damit er die Anmeldung vornehmen kann. Aber über so ein Kinkerlitzchen kann ich nur mehr milde lächeln.

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